Clevere Tools und gute Tipps für dein Make-up
Schminken mit Behinderung: Add-ons, die das Beauty-Game erleichtern
- Aktualisiert: 27.10.2022
- 17:21 Uhr
Beim Schminken brauchen wir Fingerfertigkeit und verlassen uns auf unsere Sinne. Der konzentrierte Blick in den Spiegel, wenn wir den perfekten Lidstrich hinbekommen wollen, die zweite Hand eilt zur Hilfe und zieht die Haut glatt, damit der Strich ja gerade wird. Der leicht geöffnete Mund, wenn wir Lippenstift auftragen… es gibt unzählige Beispiele, die uns allen vertraut sind. Doch was wäre, wenn wir nichts davon sehen könnten? Wenn wir körperlich beeinträchtigt wären? Ableismus – die Benachteiligung oder gar Diskriminierung körperlicher oder psychisch beeinträchtigter Menschen – existiert leider auch in der Beauty-Branche. Wir wollen auf das Thema aufmerksam machen und Tipps und Tools vorstellen, die das Schminken mit Behinderung leichter machen.
Schminken mit Sehbehinderung – wie sich blinde Menschen schminken können
Unverzichtbar beim Schminken: sich selbst im Spiegel zu sehen. Richtig? Wie sollen wir sonst wissen, ob der Lidstrich auf beiden Seiten gleich lang oder das Make-up ordentlich verblendet istnicht verschmiert ist? Sich zu schminken, ohne dabei etwas oder nur eingeschränkt zu sehen, ist für Sehbehinderte Normalität. Aber wie kann es dann mit eingeschränktem Sehvermögen klappen, den Concealer einzuarbeiten und das Rouge aufzutragen?
Die Herausforderung beginnt bereits beim Shopping. Welches Mascara-Bürstchen hat die dichten, kurzen Noppen, welcher Bronzer schmeichelt meinem Hautton? Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband empfiehlt eine Beratung durch Fachpersonal. So hat man einen Profi an der Seite, der bei der Wahl der Produkte unterstützt und garantiert, dass das Make-up zum Hautton passt.
Wenn ein Sinn ausfällt oder nur eingeschränkt funktioniert, shiftet der Körper intuitiv auf andere Sinne um. Viele Menschen mit Sehbehinderung nutzen daher gerne ihre Finger, um sich zu schminken: Mithilfe des sogenannten ertastbaren Schminkens fällt es den Betroffenen oft leichter, Texturen aufzutragen, Mengen abzuschätzen und die gewünschte Stelle zu treffen. Anders als beim Auftragen mit Pinsel oder Schwämmen spürt man durch den direkten Kontakt zur Haut die Konturen des eigenen Gesichts wesentlich besser. Mittlerweile gibt es auch Workshops zum Thema ertastbares Schminken, die zum Teil selbst von blinden Menschen geleitet werden. Auch online wächst das Angebot stetig. Beispielsweise gibt es auf diversen Plattformen Hör- und Videoformate für Menschen mit Sehbehinderung, in denen die einzelnen Schritte für einen Make-up-Look – angepasst auf die Bedürfnisse – erklärt werden. Auch Beauty-Blogs und Websites, deren Texte sich abspielen lassen, können eine kreative Unterstützung sein. Auf der Website des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes gibt es zahlreiche Tipps und Tricks, die man sich vorlesen lassen kann. Der YouTube-Account WochedesSehens richtet sich beispielsweise an sehbeeinträchtige Personen. In den Videos erklärt die blinde Visagistin Tina Sohrab, welchen Look sie schminkt und vor allem, wie sie ihn step-by-step schminkt, so können sich eingeschränkte Personen vom gesprochenen Tutorial leiten lassen.
Wie wir wissen, ist noch kein Make-up-Profi vom Himmel gefallen, deswegen gilt auch für Menschen mit einer Seheinschränkung: Üben, üben, üben – gegebenenfalls abschminken – und einfach weiter üben. Ein Make-up-affine liebe Freundin oder ein Freund helfen dir bestimmt auch gerne – vom Shopping über die Auswahl der für dich passenden Tutorials bis zum vollendeten Look.
Ohne Hände schminken: So gelingt dir dein Make-up
Mit viel Übung und Geduld ist es möglich, sich mit eingeschränktem bis gar keinem Sehvermögen zu schminken – dabei müssen wir uns auf unseren Tastsinn verlassen und erfühlen, was wir gerade machen. Und, wie genau funktioniert das dann the other way around? Also für Menschen, die sehen, aber keine Hände haben? Kennst du schon Paloma López? Nein? Dann öffne deine Instagram-App und zieh dir sofort den erfrischend realen Content der Argentinierin rein. Mit ihrem Account @palomake_up erreicht sie aktuell 15.000 Menschen weltweit. Kein Wunder, denn Paloma ist eine echte Inspiration. Der 21-Jährigen wurden bereits im Alter von zwei Jahren Großteile ihrer Arme und Beine amputiert. Auch wenn diese Umstände sie lange Zeit vor scheinbar unüberwindbare Hürden stellten, wie López ihren Follower:innen erzählt, lebt sie heute ein erfülltes Leben.
Auf Instagram finden sich zahlreiche Videos der Influencerin, in denen sie Tipps und Tricks teilt, Tutorials zu einzelnen Looks bereitstellt oder einfach mal nur erzählt, was sie gerade bewegt. Um sich zu schminken nimmt die Instagrammerin ihr benötigtes Hilfsmittel, beispielsweise einen Pinsel oder Lippenstift, mit ihren Armen auf, um es anzuwenden. Man sieht, hier steckt jahrelange Übung dahinter, wie sie in einem früheren Interview auch verrät. Ihr allererstes Make-up-Video zeigt Paloma dabei, wie sie sich schminkt. Sie wollte mal verschiedene Looks zeigen und sich ausprobieren – ohne besondere Intention. Das Mini-Tutorial wurde zum Erfolg – sodass die Künstlerin entschied, weiter Content zu produzieren. Das ist uns mehr als einen Like wert – denn Paloma López steht für viel mehr als Make-up-Looks oder äußere Schönheit. Ein Vorbild, das uns – mit oder ohne Einschränkung – nachhaltig beeindruckt.
Make-up-Tools, die für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung designt wurden
Gut Ding braucht Weile... und das kann sehr frustrierend sein. Denn für Menschen mit körperlichen Einschränkungen kann der winzig kleine Applikator oder das filigrane Mascara-Bürstchen zum Albtraum werden. Das bedeutet aber nicht, dass man darauf verzichten muss: Denn in der Beauty-Industrie tut sich was, sodass endlich auch Menschen mit Beeinträchtigung Produkte finden, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Immer mehr spezielle clever designte Tools werden entwickelt, die bei bestimmten Beeinträchtigungen unterstützen können. Ein Beispiel für inklusive Beauty ist Selena Gomez Brand Rare Beauty. Im Fokus steht unsere Individualität: Wir alle sind schön auf unsere Art, das kann mit Make-up unterstrichen werden und soll für alle Menschen gleich zugänglich sein. Die Produkte sollen auch für Menschen mit Beeinträchtigung easy anwendbar sein und so ihr Make-up Game erleichtern. Das beginnt bereits beim Packaging. Unter anderem sind die Deckel der Produkte so designt, dass man sie easy auf- und zuschrauben kann. Viele Produkte haben eine abgerundete Seite, damit sie für Menschen mit eingeschränkten oder (teil-)amputierten Unterarmen leichter zu greifen sind. Super Ideen und eine Entwicklung, die definitiv in die richtige Richtung geht, meinen wir.
Einer der schwierigstes Beauty-Moves ist und bleibt wohl das Anbringen falscher Wimpern. Erinnerst du dich an die ersten Male? Genau – Stress pur, vielleicht sind auch Tränen geflossen, man weiß es nicht mehr so genau und will es eigentlich auch gar nicht wissen. Der filigrane Drahtseilakt (anwenden, aufdrücken, stillhalten) ist nicht für jede:n einfach zu händeln. Abhilfe können da magnetische Wimpern schaffen. Die arbeiten mit einem ebenfalls magnetischen Gel-Eyeliner, der als Gegenstück zu den Wimpern aufs Lid gepinselt wird, dann – schwups – Wimpernkranz drauflegen und schon halten die False Lashes: eine Entwicklung, die eine große Hilfe für disabled Personen darstellen kann.
Zu den falschen Wimpern willst du einen geschwungenen Eyeliner Wing schminken? Kein Problem – mittlerweile stellen diverse Unternehmen einen Eyeliner-Wing-Stempel her! Den drückt man einfach am Ende des Lidstrichs einmal auf und voila – the Wing Magic happend.
Es tut sich also etwas in der Beauty-Branche – und mittlerweile machen auch die Big Player mit: Estée Lauder ist dabei, den Online-Shop sowie die Stores und auch die Produkt-Range zu überarbeiten, damit wirklich jede:r dort einkaufen kann. L'Oréal und Unilever hingegen arbeiten gerade an ihren Websites, um diese barrierefreier zu gestalten – das heißt, Menschen mit Beeinträchtigung sollen nicht daran scheitern, die richtigen Nuancen für sich finden zu können, weil sie die Farben nicht gut erkennen oder blind sind. Dafür werden neue Funktionen und ausführliche Beschreibungen integriert – sowie die Möglichkeit, sich diese vorlesen zu lassen. Diese positiven Entwicklungen starten gerade auf dem US-Markt, Europa ist hoffentlich als nächstes dran.
Wie schminken sich Blinde?
Für Menschen mit Sehbehinderung gibt es das sogenannte ertastbare Schminken. Hierbei schminkt man sich mit den eigenen Fingern, da man Gesichtszüge so besser erfühlen und visualisieren kann.
Gibt es Make-up-Tools für Menschen mit Behinderung?
Es gibt spezielle Make-up-Tools, die für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen entwickelt wurden. Diese können bei bestimmten Einschränkungen helfen, sich zu schminken. Jeder Mensch ist ein Individuum mit unterschiedlichen Bedürfnissen und diese Tools werden nicht automatisch bei einer Behinderung benötigt.
Unser Fazit zum Thema Schminken mit Behinderung
Wir lieben Make-up, denn es verleiht uns die Macht, uns auszudrücken. Manchmal geht es nur um einen nervigen Pickel, den wir verschwinden lassen wollen oder etwas Farbe gegen den blassen Herbst-Teint. An anderen Tagen haben wir Lust, den Glam-Part unseres Charakters nach außen zu tragen. Wonach auch immer du dich fühlst – du solltest zu jeder Zeit die Möglichkeit haben, das auch optisch zum Ausdruck zu bringen. Dass sich endlich etwas in der teilweise doch sehr homogen angestaubten Beauty-Welt tut, freut uns und lässt uns auf viele weitere spannende Innovationen hoffen. Das Internet und Social Media tragen einen großen Teil dazu bei, dass Diversität gesehen wird – das Bewusstsein, dass wir uns alle schön fühlen dürfen, wird dank Influencer:innen wie @palomake_up in die Welt getragen. Wir sagen: you go, human! Diese Entwicklung ist für uns alle ein Gewinn: Sich mit den Händen (anstatt mit Tools) zu schminken, könnte auch das Beauty-Game von Menschen ohne Behinderung bereichern und der Eyeliner-Wing-Stempel klingt nach einem cleveren Tool – wenn's mal wieder schnell gehen muss.