Proba-3-Mission
Künstliche Sonnenfinsternis: Darum will die ESA die Sonne im All verdunkeln
- Veröffentlicht: 15.02.2024
- 17:00 Uhr
- Peter Michael Schneider
Um die Sonnen-Corona zu beobachten, plant die ESA mit zwei Satelliten im All eine künstliche Sonnenfinsternis zu erzeugen. Nicht ganz einfach: Die Fahrzeuge müssen dabei millimetergenau navigieren.
Das Wichtigste in Kürze
Die ESA schickt voraussichtlich im September dieses Jahres das Satelliten-Tandem Proba-3 ins All. Die Geräte sollen unter anderem untersuchen, warum die Sonnen-Corona so ungewöhnlich heiß ist.
Das Besondere: Sie sollen eine künstliche Sonnenfinsternis verursachen - anders lässt sich die nur schwach leuchtende Corona nicht beobachten.
Präzessions-Flug: Proba-3 ist laut der ESA der weltweit erste Flug, bei dem zwei Raumfahrzeuge derart genau navigieren müssen, um ihr Ziel zu erreichen.
Sonnenfinsternis 60.000 Kilometer entfernt
Um eine künstliche Sonnenfinsternis zu verursachen, deckt ein Satellit mit einem runden, 1,40 Meter messenden Schild die hell strahlende Sonne ab. Der andere kann dann die weniger stark leuchtende Corona entlang des Rands der Scheibe analysieren.
Der Trick: Die beiden Satelliten fliegen in 144 Meter entfernt voneinander. In diesem Abstand deckt die Scheibe die Sonnen genau ab - so wie der Mond bei einer Sonnenfinsternis (siehe unten).
Im Video: So sieht eine Sonnenfinsternis auf dem Mars aus
So sieht eine Sonnenfinsternis auf dem Mars aus
Das soll Proba-3 im Weltraum machen
👋 Das Proba-3 Gespann fliegt in einem langgestreckten Bogen um die Erde. Dabei entfernen sich das Paar bis zu 60.530 Kilometer von der Erde - immerhin schon ein Siebtel der Strecke Erde-Mond.
⛽ Genau das ist Absicht: Wenn die Satelliten weit draußen ihren Bogen um die Erde ziehen, fliegen sie vergleichsweise langsam. Daher verbrauchen sie nur wenig Treibstoff für die Kurs-Korrekturen, wenn sie sich sechs Stunden lang exakt auszurichten sollen.
☂️ Der nur 200 Kilogramm schwere Satelliten, der mit seinem runden Schild die Sonne abdeckt, nennen die ESA-Ingenieure Occulter ("Verdunkler").
🔭 Sein Gegenstück, der "Coronogragh" (Corona-Schreiber“) beobachtet die abgedeckte Sonne und ihre Atmosphäre. Da er die Instrumente trägt, wiegt er mit 340 Kilogramm deutlich mehr.
⚫ Ist die blendende Sonnenscheibe abgedeckt, soll der "Coronogragh" untersuchen, warum die Sonnenatmosphäre viele heißer ist als die Sonne selbst, und wie es zu den großen Masse-Auswürfen auf ihrer Oberfläche kommt, deren Auswirkungen manchmal als schlechtes Weltraumwetter elektronische Geräte auf und nahe der Erde stören.
Weltraum-GPS: Wie die beiden Satelliten immer wissen, wo sie sind
Damit die Proba-3-Mission überhaupt erfolgreich sein kann, muss der eine Satellit immer wissen, an welcher Stelle der andere ist. Neben einer direkten Funkverbindung nutzen die beiden Geräte die gleichen Signale der GPS-Satelliten, wie jeder Autofahrer auch - jedenfalls, solange sie in Reichweite sind. Kommen sich die Satelliten näher als 250 Meter, übernehmen optische Kameras das Fein-Tuning - also so ähnlich wie die Einparkhilfen im Auto. Damit die Fahrzeuge den Millimeter-genauen Abstand einhalten, kommt am Ende ein Laser zum Einsatz.
Um das Gespann insgesamt richtig zur Sonne positionieren, richtet es sich an den Fixsternen aus. Dafür nutzen die Satelliten extra schwache Mini-Triebwerke. Sie erzeugen einen Schub, der auf der Erde ungefähr der Gewichtskraft einer Reißzwecke entspricht.
Warum man die Sonne abdecken muss, um ihre Corona zu untersuchen
Die Corona ist mehrere Millionen Grad Celsius heiß und keiner weiß, warum. Trotzdem lässt sich dieser Teil der Sonnen-Atmosphäre nur bei abgedeckter Sonne beobachten, denn die Sonnenscheibe selbst strahlt eine Million Mal heller als die Corona. Dafür braucht es also eine natürliche - oder künstliche Sonnenfinsternis. Als Alternative lässt sich die Sonnen-Atmosphäre auch vor Ort untersuchen. Die Nasa-Sonde Parker Solar Probe tauchte 2021 sogar in die Corona ein.
Proba-3: Vorbild für Riesen-Teleskop-Tandems?
- Die Proba-3 sollen zudem grundsätzlich testen, ob sich mit dem Tandem-Konzept auch große Weltraumteleskope preiswerter bauen lassen. Denn im Weltraum lassen sich Sterne ohne die irdische Lufthülle bekanntlich viel besser beobachten.
- Problem: Je leistungsfähiger Teleskope werden, umso mehr wachsen auch ihre Kosten. Bau und Betrieb des 30 Jahre alten Hubble-Teleskops haben bis heute umgerechnet über zehn Milliarden Euro gekostet. Im Falle des neuen James-Webb-Weltraumteleskops kostete allein sein Bau schon umgerechnet mehr als acht Milliarden Euro!
- Lösung: Um nicht noch gigantischere Teleskope bauen zu müssen, wäre es vorstellbar, nur die optischen Teile und die Sensoren eines Teleskops zu starten und in exakten Abständen auszurichten. Der Rest dazwischen ließe - sowie sich den Rest dazwischen zu sparen.
Das Vorbild von Proba-3: die natürliche Sonnenfinsternis
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Verfinsterte sich tagsüber die Sonne, befürchteten Menschen Jahrtausende lang, sie hätten die Götter derart verärgert, dass diese nun mit der Dunkelheit über sie kämen. Astronomen konnten schließlich zumindest den lernfähigen Teil der Menschheit beruhigen: Bei dem Himmelsereignis schiebt sich nur der Mond vor die Sonnenscheibe. Noch besser: Wie und wo sich die Sonne verdunkelt, lässt sich sogar vorher noch ausrechnen. Wann du also in Mitteleuropa die nächste Sonnenfinsternis - völlig angstfrei - genießen kannst, erfährst du hier.