Alles über Trans* und Geschlechtsangleichungen
Transgender & Transidentität: Der Weg zum richtigen Geschlecht - alles über Trans* und Geschlechtsangleichungen
- Aktualisiert: 29.06.2023
- 09:00 Uhr
- Johanna Holzer
Was ist der Unterschied zwischen Trans und Inter? Was bedeutet eigentlich das Wort Trans? Wie läuft eine Geschlechtsangleichung ab? Wir haben uns mit den brennendsten Fragen rund um das Thema Trans* und Geschlechtsangleichungen beschäftigt. Hier wollen wir die wichtigsten Begriffe erklären, lassen Expert:innen zu Wort kommen und schauen uns die Schritte und Möglichkeiten an, die du wählen kannst auf deinem Weg zum richtigen Geschlecht. Schließlich besprechen wir mit Luca die Frage: Bin ich Trans*? So findest du heraus, ob du Transgender bist!
Dieser Artikel trug zunächst den Titel "Transgender & Transsexualität: Der Weg zum anderen Geschlecht - Alles über Trans und Geschlechtsumwandlungen". Im Gespräch mit verschiedenen Expert:innen, unter anderem mit Julia Monro von der Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti), wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Weg nicht zum "anderen", sondern zum "richtigen" Geschlecht führt und, dass man nicht von einer "Umwandlung" sondern einer "Angleichung" spricht.
Warum die Wortwahl so wichtig ist, klären wir hier. Was es über trans* Personen und Transsexualität zu wissen gibt, egal ob man selbst trans* ist, oder sich für das Thema öffnen möchte, versuchen wir bestmöglich zu umreißen. Zur Erklärung der wichtigsten Begriffe lassen wir Ärzt:innen und Expert:innen zu Wort kommen, beschreiben den Ablauf einer Geschlechtsangleichung und beantworten die gängigsten Fragen. Das Thema Transsexualität bietet unendlich viele Inhalte, die erklärt und Geschichten, die erzählt werden könnten und müssten. Wir möchten das an dieser Stelle versuchen, empfehlen aber unbedingt, mit Ärzt:innen, Psycholog:innen und Therapeut:innen über das Thema zu sprechen, sich Erfahrungsberichten von trans* Frauen und trans* Männern zu widmen und tiefer in das Thema einzutauchen. Außerdem haben wir ein spannendes Interview über Transsexualität geführt – was es eigentlich bedeutet und welche Schritte in der Therapie inbegriffen sind.
Einer unserer Experten, Dr. Jürgen Schaff, bringt die Tragweite des Themas sehr gut auf den Punkt: "Das Wichtigste ist zu verstehen, dass diese Menschen mit dem Drang auf die Welt gekommen sind, ihren Körper verändern zu wollen. Sie glauben, im falschen Körper geboren zu sein. Wird das nicht rechtzeitig erkannt, entstehen schwerste psychologische Probleme wie Verhaltensstörungen bei Kindern, Selbstmutilation bis hin zum Selbstmord."
Daten aus einer aktuellen amerikanischen Studie geben ihm recht: 82 % der untersuchten Transgender-Personen über Selbstmord nachgedacht haben und
40% einen Suizidversuch unternommen haben, wobei die Suizidalität bei Transgender-Jugendlichen am höchsten ist. 56% der Jugendlichen berichteten über einen früheren Suizidversuch und 86% über Suizidalität.
Aber die Gefahren für diese Jugendlichen gehen nicht nur von der eigenen schwer belasteten Psyche aus. Ein Blick in die News und Schlagzeilen der letzten Jahre macht schnell deutlich wie problematisch die gesellschaftliche Position von trans* Personen in Deutschland ist.
Seit 2021 werden transfeindliche Straftaten in der Kriminalitätsstatistik des Bundeskriminalamts im Themenfeld "Geschlechtsbezogene Diversität" gelistet. 2020 nannte man sie noch Gewaltdelikte im Themenfeld "Geschlecht / sexuelle Identität" und mixte die Zahlen mit sexuell motivierten Straftaten gegen Frauen. 2022 hat das Bundeskriminalamt 227 Gewaltdelikte und insgesamt 1005 trans- und homophobe Straftaten zu vermelden, 15% mehr als noch im Jahr davor und auch 2023 scheint die Tendenz steigend zu bleiben.
Aber es gibt in diesem Jahr eine vergleichbar kleine, aber trotzdem gute Nachricht. Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll kommen. Das Transsexuellengesetz von 1981 soll revolutioniert und verändert werden, das Prozedere zur Namens- und Geschlechts-Anpassung in allen Ausweisdokumenten soll vereinfacht und für Jugendliche und Kinder geöffnet werden. Außerdem muss auch im veralteten Gesetzeseintrag der Wortlaut dringend aktualisiert werden. Hier ist nämlich noch von "einem Zwang" und einer "psychische Störung" die Rede.
Noch ist das neue Selbstbestimmungsgesetz nicht ganz ausdiskutiert, aber wie wichtig die richtige Wortwahl und die angemessene Verwendung von Begriffen ist, wollen wir hier schon mal klären.
Transgender – was ist das eigentlich? Diese Begriffe solltest du kennen!
Trans* bedeutet mehr als Männer in Frauenkleidern. Und wie wir schon gelernt haben, ist die richtige Wortwahl ausschlaggebend. Wenn wir über das Thema in seiner Ganzheitlichkeit sprechen wollen, dann müssen wir also vorher die richtige Sprache finden. Bevor wir nun über Geschlechtsangleichung, Geschlechtsanpassungen, Therapien, Behandlungsmethoden, Hormone, Operationen und Medikamente sprechen, wollen wir die folgenden Begriffe kurz erklären.
Transgender
Trans·gen·der - /transˈd͜ʃɛndɐ/ - Substantiv, maskulin [der]
Eine Person, die eine andere als die bei Geburt zugewiesene soziale Geschlechtsrolle zum Ausdruck bringt. Es ist in der Gesellschaft der geläufigste Begriff um trans* Personen zu beschreiben. Nicht jede trans*-Person identifiziert sich mit diesem Begriff.
"Gender" ist der englische Begriff für die soziale Geschlechtsrolle. "Trans" ist Lateinisch für "hin zu, hinüber, jenseits". Dabei muss man zwischen dem sozial zugewiesenen Geschlecht, körperlichen Geschlechtsmerkmalen und der selbst empfundenen Geschlechtsidentität unterscheiden. Denn gerade hier liegt für trans*-Personen ein Ungleichgewicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht auch von Geschlechtsinkongruenz. Die körperlichen Merkmale und die empfundene Geschlechtsidentität stimmen nicht überein. Menschen können sich weder mit ihren körperlichen Merkmalen noch mit ihrer gesellschaftlichen Geschlechterrolle identifizieren. Ersteres lässt sich durch eine hormonelle Behandlung und eine (oder mehrere) Operation angleichen. Doch liegt dies leider nicht in der Hand der trans*-Personen, wodurch ein Leidensdruck entsteht. Trotzdem wünscht sich nicht jede trans*-Person geschlechtsangleichende medizinische Behandlungen, will ihren Namen oder Geschlechtseintrag ändern. Manche entscheiden sich für eine Hormonbehandlung, andere auch noch für eine Operation, behalten aber ihren Namen. Wiederum andere lassen Namen und Geschlechtseintrag ändern.
Transsexualität
Transsexuell oder Transsexualität sind weniger verwendete, denn umstrittene Begriffe. Sie können nämlich irreführend sein. Trotz der Endung hat die Bezeichnung nichts mit der sexuellen Orientierung des Menschen zu tun. Ähnlich wie Transgender beschreibt der Begriff viel mehr die Geschlechtsidentität.
Transidentität
Die Bezeichnung Transident ist eine Alternative zu transsexuell oder Transsexualität. Die Endung deutet explizit darauf hin, dass der Begriff auf die (Geschlechts-)Identität und nicht die Sexualität des Menschen ausgerichtet ist.
Transvestit
Personen tragen sogenannte "gegengeschlechtliche" Kleidung, also Kleidungsstücke, die wir im gesellschaftlichen Kontext einem gewissen Geschlecht zugeschrieben haben. Sie wollen meist mit der zeitweiligen Zugehörigkeit zu diesem Geschlecht und mit den Geschlechtsattributen spielen. Dabei geht es nicht um den endgültigen dauerhaften "Geschlechtswechsel". An körperlichen Veränderungen oder chirurgischen Eingriffen sind viele gar nicht interessiert, auch wenn sich manche mit der Zeit dafür entscheiden.
Nicht-binär/non-binary/enby
Enby steht für die Buchstaben n und b in englischer Aussprache. N&B steht schließlich für non binary. Nicht-binär oder auf Englisch non binary beschreibt Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter im klassischen gesellschaftlichen Kontext zuordnen. Sie sind weder ausschließlich männlich noch weiblich. Ihre Geschlechtsidentitäten sind sehr vielfältig, entweder zwischen männlich und weiblich, ganz unabhängig dieser Kategorien, beide zusammenführend oder gar keinem Geschlecht zugeordnet. Genderfluid Personen empfinden ihre Geschlechtsidentität immer wieder anders. Wichtig ist zu verstehen, dass nicht alle nicht-binären Personen auch gleichzeitig trans* sind. Einzelne verstehen sich selbst als trans* Personen, andere wiederum nicht.
Trans-Vergangenheit
Diese Selbstbezeichnung wird von Menschen benutzt, die trans* als ein Stadium verstehen, das sie durchlaufen, um zu ihrem Geschlecht zu gelangen.
trans*
trans-, Tra-, Tran-, Trans-, tra-, tran-
Präfix – bedeutet in Bildungen mit Verben oder Substantiven hindurch, quer durch, hinüber, jenseits, über, hinaus.
Trans kann auch als Präfix oder als Adjektiv für trans*-Frau oder trans*-Mann verwendet werden oder als Überbegriff für alle, die sich gar nicht bis teilweise mit ihrem zugeschriebenen Geschlecht identifizieren. Viele von ihnen nutzen verschiedene Selbstbezeichnungen wie transgender, Trans-Vergangenheit, transgeschlechtlich, transident oder transsexuell. In jedem Fall kann die Person selbst bestimmen, welche Wortwahl sie nutzen möchte, da alle leicht voneinander abweichen. Das * dient dabei als Platzhalter für alle Trans-Selbstbezeichnungen und trans* wird oft auch als Sammelbegriff verstanden.
Inter*
Inter* hat sich als emanzipatorischer Sammelbegriff etabliert. Gemeint sind alle Menschen, deren körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht den gesellschaftlichen oder medizinischen Geschlechterkategorien entsprechen. Die körperlichen Merkmale von inter*-Personen können sich durch anatomische, chromosomale oder hormonelle Einflüsse unterscheiden und sind extrem vielfältig. Manche Inter*-Variationen sind von Geburt an sichtbar, andere zeigen sich später und manche niemals. Das lateinische Präfix inter, lässt sich mit "zwischen" übersetzen. Unter dem Sammelbegriff werden Begriffe wie intergeschlechtlich, intersex, intersexuell und weitere Selbstbezeichnungen zusammengefasst. Die Geschlechtsidentität von inter*-Personen kann männlich oder weiblich sein, sowie nicht-binär, inter* und trans*.
Geschlechtsangleichung: Der Weg zum richtigen Geschlecht
Dr. med. Jürgen Schaff ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Spezialist für Feminisierende Operationen Mann zu Frau. Mit uns spricht er über die Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau. Er erklärt zunächst, dass "wir heutzutage von einer feminisierende Genitaloperation sprechen, nicht von einer Geschlechtsumwandlung". Bevor Dr. Schaff mit seinen Patient:innen arbeiten kann, erzählt er, "müssen psychologische und psychiatrische Fachkräfte eine Untersuchung durchführen, eine Diagnose und ein Gutachten erstellen. Schließlich muss noch ein Indikationsschreiben von psychologischen und psychiatrischen Fachkräften vorliegen, bevor mit einer Hormontherapie begonnen werden kann.
Transfrau: Die Feminisierende Genitaloperation oder Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau
Der Spezialist für Feminisierende Operationen beschreibt für uns den Ablauf vor und bis hin zur Feminisierenden Genitaloperation. Zunächst müssen einige Voraussetzungen für eine OP erfüllt werden. Das heißt, eine mindestens sechsmonatige Hormontherapie und eine sogenannte OP-Indikation sind vorher notwendig." Psychologische und psychiatrische Fachkräfte bestätigen, dass ein erheblicher Leidensdruck dadurch erzeugt wird, dass noch die angeborenen Genitale bestehen, und dass nur eine OP den Leidensdruck mindern kann. Und halten fest, dass sich diese Diagnose nicht mehr ändern wird." Nach zwölf Sitzungen und der entsprechenden Diagnose kann die Krankenkasse und der Medizinische Dienst der Krankenkasse eine OP genehmigen.
Dr. Schaff erklärt: "Heutzutage stehen alle Schritte auf dem Weg von Mann zu Frau einzeln zur Verfügung. Davon machen viele auch Gebrauch, denn es besteht keine Pflicht zu einer Operation."
Diese Schritte sind:
- Hormontherapie
- Hormontherapie und Vulvakonstruktion
- Hormontherapie und Vulvakonstruktion und vollständige feminisierende Genitaloperation
- Feminisierende Brustoperation
- Feminisierende Gesichtsoperationen
- Feminisierende Körperoperationen
Er betont außerdem, "es bestehen verschiedene OP-Methoden, die je nach Ausbildung der chirurgischen Fachkraft angewendet werden können." Weitere Schritte, wie eine Namensänderung oder eine Personenstandsänderung, können ganz unabhängig davon jederzeit beantragt und durchgeführt werden.
Transmann: Die Geschlechtsangleichung von Frau zu Mann
Die Rahmenbedingungen sind ganz ähnlich zur Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau. Auch bei der Anpassung von Frau zu Mann muss zunächst ein psychologisches Gutachten vorliegen, bevor mit einer Hormontherapie begonnen werden kann. Nach der hormonellen Therapie kann das weitere Verfahren besprochen und die angleichende Operation und weitere Eingriffe wie eine Gesichtsoperation oder Körperoperation geplant werden. Alle weiteren Schritte, wie eine Namensänderung oder Personenstandsänderung, können unabhängig davon auch schon vorher durchgeführt werden.
Geschlechtsangleichung – Wie hoch sind die Kosten?
Wenn die Voraussetzungen wie z.B. eine Psychotherapie oder Hormonbehandlung erfüllt wurden, können die Krankenkasse und der Medizinische Dienst der Krankenkasse der Behandlung zustimmen. Mit der Zustimmung der Krankenkasse werden die Operationen nach Pauschalen zwischen ca. 10.000,00 und 15.000,00 Euro finanziert. In einem öffentlichen Krankenhaus werden die Kosten vollständig übernommen. In Privatkliniken können die Preise deutlich abweichen und werden dann gar nicht oder nur teilweise übernommen.
Geschlechtsanpassungen: Hormonbehandlungen & chirurgische Maßnahmen/Operationen
Wenn im Rahmen einer Psychotherapie die Diagnose Transsexualität abgesichert ist, dann beginnt zunächst die Hormonbehandlung bevor es zu operativen Eingriffen kommt.
Hormontherapie
Die sogenannte Hormonersatztherapie (HET, engl. Hormone Replacement Therapy = HRT) mit gegengeschlechtlichen Hormonen wirkt zum einen identitätsstiftend, ist aber durch den erheblichen Eingriff in den Hormonhaushalt auch riskant. Sie muss unbedingt unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden. Die Veränderungen durch eine HET werden schnell sichtbar und sind teilweise irreversibel. Weshalb die Diagnosesicherung durch psychologische und psychiatrische Fachkräfte unbedingt notwendig ist. Schließlich ist die HET, mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten bei Patient:innen ab 16 Jahren möglich. Bei Kindern kann eine sogenannte reversible pubertätshemmende Therapie erfolgen, um die Pubertät aufzuschieben. Im Rahmen eines umfassenden prätherapeutischen Risikoscreenings wird die Therapie geplant und an das Risikoprofil angepasst. Denn Vorerkrankungen wie arterielle Hypertonie, Diabetes, Fettstoffwechselstörung oder HIV sowie andere Risikofaktoren müssen adäquat behandelt werden. Das Risikoscreening besteht aus einer ersten Befragung zu Risikofaktoren und einem ausführlichen Blutbefund, inklusive Hormonstatus, Leberwerte und Werte zur Messung des Thromboserisikos. Absolute Kontraindikationen treten danach kaum auf. Sollten Kontraindikationen vorliegen, werden individuelle Lösungen gesucht, statt dem oder der Patient:in die Hormontherapie ganz vorzuenthalten. Denn eine unkontrollierte Selbstmedikation birgt besonders hohe Risiken.
Wie funktioniert nun die Geschlechtsangleichende Hormontherapie?
Der Körper durchlebt quasi eine zweite Pubertät. Zunächst gilt es zu verstehen, dass die Sexualhormone Östrogene und Testosterone für die Geschlechtsentwicklung verantwortlich sind. Beide Geschlechter bilden beide Sexualhormone in unterschiedlicher Menge. Die Hirnanhangdrüsen produzieren mehrere Hormone. Die Keimdrüsen hingegen, also Hoden oder Eierstöcke, bilden Sexualhormone. Außerdem ist das weibliche Hormon Östrogen dem männlichen Hormon Testosteron sehr ähnlich, weshalb die Hirnanhangdrüsen beide Hormone als Signale deuten können. Wenn dem Körper nun Hormone zugeführt werden, fahren die Hirnanhangdrüsen und Keimdrüsen ihre Hormonproduktion runter bis kaum noch körpereigene Sexualhormone produziert werden. Die gegengeschlechtliche Hormonbehandlung kann mehrere Monate aber auch Jahre dauern. Wobei jeder Körper anders reagiert und sich unterschiedlich schnell entwickelt. In der Anfangsphase können ein zu niedriger Blutdruck, Kopfschmerzen, Schwindel, Schweißausbrüche, starkes Kältegefühl sowie Gemütsschwankung, erhöhte Leberwerte und Blutfettwerte Schwierigkeiten bereiten. Diese Symptome legen sich mit der Zeit und können durch eine Anpassung der Dosierung schnell wieder reguliert werden. Dabei gibt es verschiedene Darreichungsformen für die gegengeschlechtlichen Hormone. Östrogen-Tabletten sind die am weitesten verbreitete Form. Allerdings müssen sie über Darm und Leber ins Blut gelangen und belasten häufig die Leber. Testosteron wird aufgrund der Nebenwirkungen nicht in Tablettenform verabreicht. Über Pflaster hingegen gelangen Hormone durch die Haut direkt ins Blut, ohne die Leber zu belasten. In seltenen Fällen können Hautirritationen auftreten. Ähnlich verläuft auch die Behandlung mit einem Gel. Durch den direkten Hautkontakt wird die Leber geschont, allerdings ist die gleichmäßige Dosierung schwieriger und die tägliche Prozedur aufwendiger. Injektionen können vom Arzt verabreicht werden. Depotspritzen, die über drei Wochen bis sechs Monate wirken, sind zwar effektiv und schonend für Leber und Organen, aber auch schmerzhaft. Gerade trans* Männer leiden häufig unter schmerzhaften Abszessen.
Hormontherapie bei Mann zu Frau trans* Personen
Zugeführtes Östrogen bewirkt im männlichen Körper zunächst eine verringerte Testosteronproduktion und schließlich eine Verweiblichung oder Feminisierung. Konkret bedeutet das eine veränderte Körperfettverteilung, sinkende Muskelmasse und -kraft, weichere Haut, weniger Hautfett, Abnahme der Libido, Ausbleiben spontaner Erektionen, Impotenz, Brustwachstum, Hodenschrumpfung, rückgängige Spermienproduktion, dünneres und langsameres Wachstum von Gesichts- und Körperhaaren. Nach wenigen Wochen treten die ersten spürbaren Effekte auf. Nach meist vier bis sechs Monaten sind die Veränderungen auch für Außenstehende sichtbar. Nach spätestens sechs Monaten wird ein zweiter Hormonstatus erhoben, bevor der weitere Verlauf der Therapie geplant wird. Nach weiteren vier bis sechs Monaten sind die äußeren Veränderungen für jede:n erkennbar. Nach dem ersten Jahr in Hormonbehandlung folgt der nächste Hormonstatus. Nach zwei bis drei Jahren können keine weiteren Veränderungen mehr erzielt werden. Nun erfolgt eine wesentlich niedrigere Dauermedikation. Auch nach der genitalanpassenden Operation sollte die Hormonbehandlung unbedingt weitergeführt werden. Denn ohne Hoden kann der Körper kaum Sexualhormone produzieren und ist auf die Hormonzufuhr von außen angewiesen.
Hormontherapie bei Frau zu Mann trans* Personen
Umgekehrt bewirkt die Zufuhr von Testosteron im weiblichen Körper eine Vermännlichung oder Virilisierung. Bei trans* Männern verändert sich die Talgproduktion der Haut, die Gesichts- und Körperbehaarung, es kommt zum Ausfall der Kopfbehaarung, steigender Muskelmasse und -kraft, neuer Körperfettverteilung, die Menstruation stoppt, die Klitoris vergrößert sich, es kommt zur Vaginalantropie und Absinken der Stimme. Kleine sichtbare Veränderungen treten sehr schnell auf, bevor nach ein paar Monaten schon der Stimmbruch einsetzt und Barthaare wachsen. Nach einem Jahr ist die äußere Entwicklung sehr weit fortgeschritten und nach zwei Jahren quasi abgeschlossen. Der Bartwuchs, die männliche Stimme und das Wachstum der Klitoris sind irreversibel. Setzt man die Testosteronzufuhr dann ab, wird die Menstruation wieder einsetzen, nach außen wirkt man aber für immer wie ein Mann im klassischen Verständnis. Ähnlich wie bei der bereits beschriebenen Einnahme von weiblichen Hormonen muss auch die Behandlung von männlichen Hormonen nach einer OP mit niedriger Dauermedikation weitergeführt werden. Denn sind die Eierstöcke entfernt, kann der Körper keine eigenen Sexualhormone mehr produzieren.
Operationen
Wie bereits weiter oben beschrieben, wird die hormonelle Behandlung der operativen vorausgesetzt. Umgekehrt ist der geschlechtsverändernde Eingriff aber nicht zwingend notwendig. Bei der operativen Geschlechtsanpassung von Mann zu Frau gehen erfahrene Fachkräfte wie folgt vor: Während der Operation zur Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau werden die männlichen Hoden entfernt, um aus Teilen des Hodensacks Schamlippen für die weibliche Vulva zu formen. Der Nerven-Gefäßstil der Eichel wird zu einer funktionsfähigen Neoklitoris. Schwellkörper bis zum Schambein werden gänzlich entfernt, während das Schwammgewebe um die Harnröhre reduziert wird. Die Harnröhre wird gekürzt und bekommt einen neuen Ausgang. Die Muskulatur im Beckenboden wird gespreizt, um eine Vaginalhöhle zu formen, und die Penishaut wird eingestülpt. Schließlich wird die neue Klitoris positioniert und ein Schamhügel geformt. Meist folgt auf die OP eine 12 – 14 tägige stationäre Behandlung. Während der ersten Monate sollten die Patient:innen Dildos benutzen, um ihre neue Vagina vorsichtig zu dehnen. Nach rund zwei bis drei Monaten, spätestens nach sechs, sollten die Patient:innen keinerlei postoperative Beschwerden mehr verspüren und können normalen Geschlechtsverkehr haben. Der Brustaufbau kann parallel während der Genital-OP erfolgen, vorher oder nachher oder auch gar nicht, er wird nur durch eine Hormoneinnahme gesteuert. Wenn hingegen aus einer Vagina ein Penis geformt werden soll, dann müssen zunächst Gebärmutter und Eierstöcke entfernt werden. Anschließend wird auch die Scheidenhaut entfernt und die Scheide geschlossen. Darauf folgt die operative Mobilisierung und Streckung der Klitoris. Die Harnröhre wird von der weiblichen Harnröhrenöffnung bis zur Klitorisspitze verlängert. Und schließlich folgt der Penoidaufbau, auch Phalloplastik genannt. Ein freier Radialis-Lappen, also Unterarmlappen, kann dafür entnommen werden, oder ein ALT-Lappen vom Oberschenkel. Das Penoid kann entweder an der anatomisch natürlichen Stelle implantiert und sofort mit Nerven, der Harnröhre und dem Klitorispenoid verbunden werden. Die Klitoris wird dabei hinter der Harnröhre am Penoidansatz oder außen am Penoidansatz eingesetzt. Die Harnröhrenbildung kann aber auch später in einem weiteren Eingriff erfolgen. In jedem Fall wird noch eine Eichelnachbildung durch die Transplantation eines Hautstreifens durchgeführt und die Harnröhre verschlossen. Ein oder zwei Hodenprothesen aus Silikon können mit Rekonstruktion des Hodensacks gleichzeitig eingesetzt werden. Sie entstehen, indem aus den großen Schamlippen ein Hodensack geformt wird. Schließlich ist eine Erektionsprothese notwendig, damit das Penoid sich zum Geschlechtsverkehr versteifen kann. Sind alle postoperativen Beschwerden und Wunden rund sechs Wochen nach Einsatz der Prothese verheilt, kann man damit Geschlechtsverkehr haben.
Bin ich trans*? So findest du heraus, ob du transgender bist!
Wir haben uns mit Luca (@itslucaftm) unterhalten. Er hat uns einen Einblick in seine Geschichte und seine Erfahrungen gewährt und wichtige Tipps gegeben, denn diese Frage kann sich jeder Mensch nur selbst beantworten.
"Für einige Personen wäre es sicherlich hilfreich, hier eine Schritt für Schritt Anleitung zu lesen. Die Antwort ist leider ein bisschen enttäuschend. Ob du trans* bist oder nicht, diese Frage kannst nur du dir selbst beantworten. Natürlich gibt es einige Tipps, die dich deiner Antwort näher bringen können und die dir womöglich helfen werden.
Diese Tipps möchte ich dir mit auf deinen Weg geben:
Probier dich aus! Du wurdest in einem biologisch weiblichen Körper geboren und fühlst dich falsch in deinem Geschlecht, oder auch anders herum? Ändere deine Kleidung, deine Haare. Such dir einen neuen Namen, mit dem du dich wohl fühlst, und bitte dein Umfeld – vielleicht zunächst auch nur einen besten Freund oder eine beste Freundin – dich mit diesem Namen und den anderen Pronomen anzusprechen. Frag dich dann, wie du dich fühlst. Dieser Tipp könnte dir die Augen öffnen und deine Gefühle besser ordnen.
Sprich über deine Gefühle und Gedanken. Erste Anprechpartner:innen können Freunde und Familie sein. Je nachdem zu welchen Personen du engen Kontakt pflegst. Oder du kannst mit einem oder einer Psychotherapeut:in darüber sprechen. Für den Transweg bzw. die medizinische Geschlechtsangleichung benötigst du sowieso eine gewisse Zeit lang psychotherapeutische Begleitung. Vielleicht machst du dich bereits auf die Suche nach einer oder einem professionellen Ansprechpartner:in und wirst dir im Gespräch über deine Empfindungen klarer.
Geh in dich. Frag dich selbst: Fühle ich mich wohl in meinem Geschlecht? Bin ich der Mensch, den ich im Spiegel sehe? Kann ich mir vorstellen, mein restliches Leben so zu leben? In diesem Körper und diesem sozialen Geschlecht? Deine Antworten auf diese Fragen könnten dir bei deinem Gefühlschaos helfen.
Im Endeffekt weißt nur du selbst, wer du bist! Hol dir Hilfe und Tipps, aber vergiss nicht, dass du die Antwort bei dir selbst finden wirst."
Trans*-Stars – Das sind die berühmtesten trans*-Personen
Diese trans*-Personen führen ein Leben in der Öffentlichkeit. Ihre Geschichten, ihre Präsenz in den Medien und ihr Aktivismus sind wichtig für die ganze internationale Community. Laverne Cox wurde als Schauspielerin in der Netflix Serie "Orange is the New Black" weltbekannt. Außerdem ist sie aber auch LGBT-Aktivistin und war 2014 die erste transsexuelle Person auf dem Cover des TIME Magazine.
Balian Buschbaum war damals noch in der weiblichen Rolle eine erfolgreiche deutsche Stabhochspringerin. Nach dem Ende seiner sportlichen Karriere 2007 durchlief er eine Hormontherapie und später eine geschlechtsangleichenden Operation. Seine Geschichte erzählt er in seinem Buch "Blaue Augen bleiben blau".
Elliot Page gab 2020 bekannt, trans* zu sein und änderte den Vornamen Ellen zu Elliot. Als kanadischer Kinderstar und später als internationale Schauspielerin nach ihrem Durchbruch als "Juno" im gleichnamigen Film steht Elliot schon lange in der Öffentlichkeit und nutzte schon früh die Aufmerksamkeit, um sich als Aktivist:in einzusetzen.
Pari Robabe Roehi wurde durch ihre Teilnahme bei "Germany's Next Topmodel" bekannt. Heute arbeitet sie erfolgreich als Model, Schauspielerin und TV-Moderatorin und ist eine bekannte Vertreterin der LGBT-Community. In der 16. Staffel schließlich war Alex Mariah Peter die erste Transgender-Person, die den Model-Contest gewann.
Kim Petras erklärte bereits als fünfjähriger Junge, lieber ein Mädchen sein zu wollen. Als 12-Jährige begann sie schließlich eine Hormontherapie und lebt seitdem als trans* Frau. Heute ist sie Sängerin und Songwriterin in Los Angeles, hat zahlreiche erfolgreiche Songs veröffentlicht und singt seit 2017 auch selbst.
Valentina Sampaio ist das erste Transgender-Model, das für Victoria's Secret laufen durfte und zudem das erste Transgender-Model, das in der Swimsuit Issue von Sports Illustrated zu sehen war. 2017 zierte sie als erstes offenes Transgender-Model das Cover der Vogue Paris.
Auch interessant: So gelingt der natürliche Look wie von GNTM-Gewinnerin Alex Mariah Peter mit Botox.
trans* FAQs – alles was du über trans* wissen musst
Abschließend wollen wir nochmals die wichtigsten Fragen klären. Alles was du kurz und knapp zusammengefasst zum Thema trans* wissen willst, findest du hier. Dabei hat uns nochmals Luca unterstützt.
Was versteht man unter einer trans*-Person?
Eine trans*-Person ist jemand, der oder die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren kann und sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt. In den meisten Fällen streben trans*-Personen eine medizinische Geschlechtsangleichung an. Eine Geschlechtsangleichung ist durch eine gegengeschlechtliche Hormontherapie und verschiedenste Operationen möglich. Jede trans*-Person entscheidet für sich, welche und wie viele geschlechtsangleichende Maßnahmen sie vornehmen möchte.
Was bedeutet das Wort trans*?
Trans* ist eine Abkürzung für transgender, Transidentität oder Transsexualität. Den Begriff Transsexualität lehnen viele trans*-Menschen ab, da sie der Meinung sind, das Wort Sexualität in dem Begriff verwirre und suggeriere, es handele sich um eine sexuelle Orientierung. Bei Transsexualität handelt sich allerdings um die eigene geschlechtliche Identität. Daher wird mittlerweile von vielen trans*-Personen der Begriff Transidentität bevorzugt. Transgender ist womöglich am neutralsten und einfachsten. Der Begriff kommt aus dem Englischen und wird auch im Deutschen viel verwendet.
Was ist der Unterschied zwischen trans* und inter?
Bei Transidentität geht es um die geschlechtliche Identität. Also das empfundene Geschlecht. Und hierbei besteht eine Diskrepanz zwischen Körper und empfundenem Geschlecht. Intersexuelle Menschen sind Menschen, deren somatischen bzw. körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Die inneren und äußeren Genitale entwickeln sich also inkongruent (oder unterschiedlich) zum chromosomalen Geschlecht. Intersexualität ist also eine Variante geschlechtlicher Entwicklung der körperlichen Merkmale. Transidentität ist der Widerspruch zwischen empfundener Geschlechtsidentität und körperlichen Merkmalen.