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Rindersprung und Huka Huka

Würdest du sie schaffen? Diese indigenen Rituale sind nichts für schwache Nerven

  • Veröffentlicht: 06.09.2024
  • 09:47 Uhr
  • Imke Rauhut
Galileo-Reporter Harro kämpft im Amazonas um seine Ehre – und darum, im Stamm der Waurá aufgenommen zu werden.
Galileo-Reporter Harro kämpft im Amazonas um seine Ehre – und darum, im Stamm der Waurá aufgenommen zu werden.© Galileo

Was haben der Rindersprung der Hamar, der Totentanz der Waurá und die Hochzeit in Deutschland gemeinsam? Sie alle sind Übergangsrituale. Was das ist und wie sie ablaufen, erfährst du hier.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Übergangsrituale finden auf der ganzen Welt statt. Sie symbolisieren den Übergang von einer Lebensphase zur nächsten.

  • Wie beispielsweise bei den Hamar - sie sind eine ethnische Gruppe in Äthiopien. Wer hier als Mann anerkannt werden will, muss über Rinder springen.

  • Die Waurá wiederum leben im Xingu-Nationalpark in Zentralbrasilien. Um sich von ihren Toten zu verabschieden, führen sie eine Art Wrestling auf.

  • Würden wir so ein Ritual bestehen? Genau das haben sich die Reporter Harro und Johannes in "Galileo X-Plorer: Mission Wildnis" gefragt. Werden sie die Übergangsriten meistern und als Teil der indigenen Gemeinschaft anerkannt? Die neue Folge kannst du schon jetzt kostenlos auf Joyn sehen!

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Hoch hinaus: Der Rindersprung der Hamar

Die Hamar leben im Omo-Tal in Äthiopien. Rinder spielen in ihrer Kultur eine große Rolle und sie pflegen enge Beziehungen zu den Tieren. Das wird besonders beim Übergangsritual deutlich, durch das ein Junge zu einem heiratsfähigen Mann wird.

Ohne Kleidung springt der Junge über die Rinder. Dieses Ritual symbolisiert den Prozess des „Erwachsen-Werdens".
Ohne Kleidung springt der Junge über die Rinder. Dieses Ritual symbolisiert den Prozess des „Erwachsen-Werdens".© Galileo

So läuft das Ritual ab:

Der Junge darf ein letztes Mal die Kühe melken, was als eine Aufgabe für Kinder gilt. Nachdem seine Verwandtschaft angereist ist und gefeiert wurde, macht er sich für den Rindersprung bereit. Dafür legt er all seine Kleidung und Besitztümer ab.

Während acht Rinder an ihren Schwänzen und Köpfen festgehalten werden, springt er vier Mal über die Rücken der Tiere. Nur wenn er dabei nicht hinfällt, hat er die Prüfung bestanden und erhält einen neuen Namen, basierend auf der Farbe des ersten Bullen, über den er gesprungen ist.

Zwar ist er jetzt kein Junge mehr, aber auch kein Mann. Stattdessen gilt er als "maz". Gemeinsam mit anderen "maza" begibt er sich für einige Monate alleine in die Wildnis. Dabei dürfen sie sich nur von tierischen Produkten, wie Fleisch, Milch und Honig ernähren.

Erst, wenn er eine Frau geheiratet hat, gilt ein "maz" als vollständiger Mann. Dafür gibt ihm die Frau etwas zu Essen, während beide ihre Arme von einem Älteren mit Kuhdung eingeschmiert bekommen. Ab dann nimmt der "maz" seine neue Position als Mann ein und ist wieder in die Gesellschaft integriert.

Auch Galileo-Reporter Johannes möchte seine Männlichkeit beweisen. Dafür muss er erstmal üben – anhand eines Motorrads.
Auch Galileo-Reporter Johannes möchte seine Männlichkeit beweisen. Dafür muss er erstmal üben – anhand eines Motorrads.© Galileo

Indigenes Wrestling bei den Waurá

Die Waurá gehören zu 16 indigenen Gemeinschaften (Xingu), die im Xingu-Nationalpark in Zentralbrasilien leben. Die Stämme teilen viele kulturelle Aspekte, darunter auch das Totenfest Quarup, bei dem eine Art Wrestling stattfindet: das Huka Huka.

In der Weltanschauung der Xingu bringt der Tod eines Stammesmitglieds den Kosmos durcheinander und schafft Chaos. Das Quarup stellt den Übergang vom Chaos zum Strukturierten dar, und wirkt einem Gefühl der Stammesauflösung entgegen.

Für die Xingu ist das Leben ein Geschenk der Natur, wofür sie in ihrer Schuld stehen. Während des Quarup wird diese Schuld beglichen, indem die verstorbene Person erst aus der Familie an die Gemeinde und von dort an die Natur zurückgegeben wird.

So läuft ein Quarup ab:

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Nach dem Tod eines Stammesmitglieds dreht eine Prozession mehrere Runden in und um das Haus herum. Danach läuft sie zur Dorfmitte, wo sich das Grab befindet, und umrundet dieses ebenso.
© Galileo

Nach dem Tod eines Stammesmitglieds dreht eine Prozession mehrere Runden in und um das Haus herum. Danach läuft sie zur Dorfmitte, wo sich das Grab befindet, und umrundet dieses ebenso.

Danach wird die verstorbene Person ins Grab herabgelassen und ein kleiner Zaun darum errichtet - der „apenap“. Der Mensch ist kein Lebender mehr, die Seele hat den Körper aber noch nicht verlassen. Die verstorbene Person wurde dadurch aus der Familie an die Gemeinschaft gegeben. Bald wird sie zur Natur zurückkehren.
© Galileo

Danach wird die verstorbene Person ins Grab herabgelassen und ein kleiner Zaun darum errichtet - der „apenap“. Der Mensch ist kein Lebender mehr, die Seele hat den Körper aber noch nicht verlassen. Die verstorbene Person wurde dadurch aus der Familie an die Gemeinschaft gegeben. Bald wird sie zur Natur zurückkehren.

Etwa ein Jahr später findet die Beisetzung eines Baumstammes, des Quarup, statt. Der Baumstamm symbolisiert den Menschen, denn er ist die Substanz, aus der die Xingu, ihrer Weltansicht nach, ursprünglich entstanden sind.
© picture alliance / dpa/dpaweb | Brainpix Valter Campanato

Etwa ein Jahr später findet die Beisetzung eines Baumstammes, des Quarup, statt. Der Baumstamm symbolisiert den Menschen, denn er ist die Substanz, aus der die Xingu, ihrer Weltansicht nach, ursprünglich entstanden sind.

Der Tanz der Urua-Flöten markiert den Beginn der Beisetzung und vertreibt böse Geister. Dabei laufen zwei Männer während des Flötenspiels wie bei dem Beerdigungsprozess durch die Häuser. Frauen, die ins heiratsfähige Alter gekommen sind, laufen mit ihnen, denn das Quarup stellt auch das Initiationsritual von Mädchen dar, wodurch sie als Frauen anerkannt werden.
© picture alliance / dpa/dpaweb | Brainpix Valter Campanato

Der Tanz der Urua-Flöten markiert den Beginn der Beisetzung und vertreibt böse Geister. Dabei laufen zwei Männer während des Flötenspiels wie bei dem Beerdigungsprozess durch die Häuser. Frauen, die ins heiratsfähige Alter gekommen sind, laufen mit ihnen, denn das Quarup stellt auch das Initiationsritual von Mädchen dar, wodurch sie als Frauen anerkannt werden.

Als Nächstes wird der Baumstamm in der Mitte des Dorfes aufgestellt und geschmückt, damit er die Seele der Person aufnimmt und die Angehörigen sich ein letztes Mal verabschieden können. Nach einem Tanz wird der Quarup verbrannt oder in einen Fluss gerollt. Mit diesem Akt wird die verstorbene Person an die Natur zurückgegeben.
© picture alliance / dpa/dpaweb | Brainpix Valter Campanato

Als Nächstes wird der Baumstamm in der Mitte des Dorfes aufgestellt und geschmückt, damit er die Seele der Person aufnimmt und die Angehörigen sich ein letztes Mal verabschieden können. Nach einem Tanz wird der Quarup verbrannt oder in einen Fluss gerollt. Mit diesem Akt wird die verstorbene Person an die Natur zurückgegeben.

Am nächsten Tag findet das Huka Huka, das Wrestling, zwischen den Stammesmitgliedern und Gästen aus anderen Stämmen statt. Das Huka Huka steht dabei für den Pakt zwischen den Stämmen und stellt die Stammeszugehörigkeit wieder her. Damit wird eine neue Lebensphase der Gemeinschaft eingeleitet.
© picture alliance / ESTADAO CONTEUDO | WILSON PEDROSA

Am nächsten Tag findet das Huka Huka, das Wrestling, zwischen den Stammesmitgliedern und Gästen aus anderen Stämmen statt. Das Huka Huka steht dabei für den Pakt zwischen den Stämmen und stellt die Stammeszugehörigkeit wieder her. Damit wird eine neue Lebensphase der Gemeinschaft eingeleitet.

Das Fest endet mit der Verteilung von Pequi-Nüssen durch die initiierten Frauen und einem großen Essen, bestehend vor allem aus Maniok-Fladen und Fisch. Die Gemeinschaft ist jetzt wieder in das Alltagsleben integriert und die Trauerphase beendet.
© picture alliance / AP Photo | DADO GALDIERI

Das Fest endet mit der Verteilung von Pequi-Nüssen durch die initiierten Frauen und einem großen Essen, bestehend vor allem aus Maniok-Fladen und Fisch. Die Gemeinschaft ist jetzt wieder in das Alltagsleben integriert und die Trauerphase beendet.

Um bei den Waurá aufgenommen zu werden, übt sich auch Galileo-Reporter Harro im Huka Huka Kampf. Dafür nimmt er auch an einigen Zeremonien teil, wie das Einreiben des Körpers mit einem Jaguar-Knochen. Ob ihm das wohl die Kraft verleiht, seine Gegner zu besiegen?

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Was sind Übergangsrituale?

Das Konzept der Übergangsrituale stammt aus der Ethnologie und wurde 1909 vom französischen Ethnologen Arnold van Gennep eingeführt. Er erkannte Übergänge zwischen verschiedenen Lebensstadien und sozialen Positionen im Leben eines Menschen.

Diese Übergangsphasen werden dabei häufig von Riten begleitet. Das sind geordnete, symbolische Handlungen, durch die etwas kommuniziert wird. Ein Ritual setzt sich dementsprechend aus mehreren Riten zusammen.

Ein Übergangsritual besteht in der Regel aus drei Phasen:

  • Die Trennungsphase, also die Loslösung aus einem vorherigen sozialen Status oder Lebensabschnitt.
  • Die Zwischenphase, in der man eine besondere Stellung in der Gesellschaft einnimmt. Diese Phase kann desorientierend und vulnerabel für die Person sein. Man befindet sich zwischen Lebensabschnitten, ist also "nicht mehr" in dem einen, aber "noch nicht" im anderen.
  • Die Integrationsphase, bei der man eine neue soziale Position und Identität annimmt.

Übergangsrituale sind universell und haben oft einen spielerischen Charakter. Sie existieren nicht nur in religiösen Kontexten. Ihre primäre Funktion ist es, mögliche Störungen der Sozialordnung während eines Umwandlungsprozesses abzuschwächen.

Typische Übergangsrituale finden statt bei:

👶🏽 Der Geburt

👩🏽‍🦱 Dem "Erwachsen-Werden"

👰🏽 Der Heirat

🤰🏽 Dem "Eltern-Werden"

👵🏽 Dem Tod

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Rituale gibt es nur bei Indigenen? – von wegen!

Bei Ritualen denken viele an abergläubische oder religiöse Handlungen, die man in unserer rationalisierten und säkularisierten Welt eigentlich nicht mehr vorfindet. Doch das stimmt nicht ganz. Denn auch in Deutschland machen Menschen unterschiedliche Lebensphasen durch, für die wir Übergangsriten benötigen. Nur sind wir diese so gewohnt, dass sie uns meistens gar nicht als solche auffallen.

Junggesellenabschied, Ringe austauschen, Reis werfen – auch in Deutschland haben wir Übergangsriten.
Junggesellenabschied, Ringe austauschen, Reis werfen – auch in Deutschland haben wir Übergangsriten.© Viktar Vysotski - stock.adobe.com

Ein Beispiel dafür ist die Hochzeit. Sie symbolisiert den Übergang von ledigen zu verheirateten Menschen. Auch hier kann man die unterschiedlichen Phasen eines Übergangsrituals beobachten:

Trennungsphase

🍜 Einer der ältesten Hochzeitsbräuche ist der Polterabend. Das Zerschlagen von Porzellan und Keramik am Abend vor der Heirat soll böse Geister fernhalten. Dadurch soll das Brautpaar bei ihrem Übergang in den neuen Lebensabschnitt geschützt werden.

🥳 Ein verbreiteterer Brauch ist der Junggesellenabschied. Hier darf das zukünftige Paar, getrennt voneinander, ein letztes Mal hemmungslos mit ihren Freund:innen feiern. Damit lösen sie sich von ihrem Leben als Unverheiratete los.

Zwischenphase

👰🏻 In der Zwischenphase findet die Trauung statt. Frauen tragen dabei in der Regel ein weißes Hochzeitskleid, was ursprünglich auf ihre Reinheit hindeutete. Familie und Freunde dienen meistens als Trauzeug:innen.

💒 Früher wurde die Frau von ihrem Vater zum kirchlichen Altar gebracht und ihrem zukünftigen Ehemann übergeben, um den Übergang von Tochter zu Ehefrau zu symbolisieren. Diese Vorstellung ist mittlerweile zwar veraltet, es zeigt aber, dass die Heirat ehemals auch ein wichtiges Initiationsritual für Frauen war.

💍 Zentraler Bestandteil der Trauung sind die Gelübde und der Ringwechsel, gefolgt von einem Kuss. Damit wird die Ehe vollzogen. Danach schreitet das frisch vermählte Paar durch ein symbolisches Tor aus Blumenkränzen. Auch das symbolisiert wieder den Übergang zum neuen Lebensabschnitt.

Integrationsphase

🏡 Etwas altmodisch ist das Tragen der Braut über die Schwelle des neuen Zuhauses. Doch auch hier findet wieder ein Übergangsritus statt, bei dem der Bräutigam die Frau unversehrt in ihren neuen Lebensabschnitt als Ehefrau führen soll.

👨‍❤️‍💋‍👨 Die erste Nacht als Ehepaar kennzeichnet den Abschluss des Rituals und die neuen Eheleute werden als solche in die Gesellschaft integriert. Die Flitterwochen dienen zur Neuorientierung und Festlegung der sozialen Rollen. Ab dann normalisiert sich der Alltag wieder.

Natürlich sind Paare heutzutage in ihrer Wahl, wie sie heiraten möchten, sehr viel freier als früher und glücklicherweise dürfen heutzutage auch queere Menschen heiraten. Viele der Riten bleiben aber bestehen und die Hochzeit behält ihre besondere Bedeutung.

Egal, welches Geschlecht die Eheleute haben - eine Hochzeit ist immer ein wichtiges Übergangsritual im Leben eines Menschen.
Egal, welches Geschlecht die Eheleute haben - eine Hochzeit ist immer ein wichtiges Übergangsritual im Leben eines Menschen.© supamotion - tock.adobe.com

Die wichtigsten Fragen zu Übergangsritualen:

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