Wisente in Deutschland: Rückkehr der riesigen Urzeit-Rinder
- Veröffentlicht: 04.09.2023
- 16:45 Uhr
- Heike Predikant
1927 wurde der letzte frei lebende Wisent im Kaukasus erschossen. Heute tummeln sich die riesigen Ur-Rinder wieder in Europa - auch in Deutschland. Wie das gelungen ist, erfährst du hier. Für den Fall, dass du einem der Kolosse begegnest, findest du weiter unten die goldene Verhaltensregel. Im Clip: Das Comeback des Waldrapps.
Wisente: Die wichtigsten Fakten zu den Tieren
Wisente sind massiver als ausgewachsene Kühe und somit die größten Landsäuger Europas. Äußerlich ähnelt die Rinder-Art dem Amerikanischen Bison.
Ursprünglich streiften die Tiere durch offene Steppen. Nach der großen Eiszeit, die vor etwa 115.000 Jahren einsetzte, bevölkerten sie die rasch wachsenden Wälder.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Kolosse akut vom Aussterben bedroht. Schrumpfende Lebensräume und Jagd führten zum Rückgang der Wisent-Populationen.
Heute tummeln sich in Deutschland wieder Wisente (siehe unten). Ihr Revier ist das Rothaargebirge, das sich über Teile von Nordrhein-Westfalen und Hessen erstreckt.
Wo gibt es noch Wisente?
Wisente gab es lange Zeit nicht mehr in freier Wildbahn. 1919 wurde der letzte Flachland-Wisent erschossen, 1927 der letzte Berg-Wisent im Kaukasus. Damit waren Wisente in freier Wildbahn ausgerottet.
Heute gibt es sie wieder. Dank internationaler Zucht- und Wiederansiedlungs-Projekte sowie dem strengen Schutzstatus in vielen europäischen Ländern umfasst der Wisent-Bestand mittlerweile weltweit mehr als 7.200 Tiere. Alle heute lebenden Wisente stammen von zwölf Artgenossen aus Zoos und Gehegen ab.
Laut dem WWF leben Wisente heute in Aserbaidschan, Belarus, Bulgarien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, der Slowakei und der Ukraine. In Deutschland gibt es einige Tiere im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen.
Der Wisent-Steckbrief
Name: Wisent oder Europäischer Bison (Bison bonasus)
Kopf-Rumpf-Länge: bis zu 3 Meter
Schulterhöhe: bis zu 2 Meter
Gewicht: Bullen 500 bis 1000 Kilo, Kühe 300 bis 500 Kilo
Fell: fahl- bis dunkelbraun
Lebensraum: Laub-, Misch- oder Bergwälder; Waldwiesen; Weiden
Nahrung: Blätter, Triebe, Wurzeln, Baumrinde; aber auch Gras, Wiesenkräuter und Feldfrüchte
Futtermenge: 30 bis 60 Kilo pro Tag
Brunftzeit: August bis November
Tragzeit: 9 Monate
Wurfgröße: 1 bis 2 Jungtiere
Lebenserwartung: bis zu 24 Jahre
Verbreitungsgebiete: Russland, Belarus, Ukraine, Polen, Litauen, Rumänien, Slowakei, Deutschland
Wisent, Bison oder Büffel: Was ist der Unterschied?
Der Wisent wird auch Europäisches Bison genannt. Er ist allerdings schmaler, hat weniger Beinfell und Muskeln wie das amerikanische Bison. Auch der Lebensraum ist unterschiedlich: Das Bison lebt in den Prärien Nordamerikas, der Wisent hauptsächlich in Wäldern.
Der Begriff Büffel fasst mehrere Rinder-Arten zusammen, die allesamt in Asien oder Afrika leben. Zu ihnen gehört zum Beispiel der Wasserbüffel. Büffel haben im Unterschied zum Bison dominantere Hörner.
Wisente in Deutschland: Die Rückkehr der riesigen Ur-Rinder
Die Wisent-Welt befindet sich im nordrhein-westfälischen Rothaargebirge: Dort startete vor über zehn Jahren ein Artenschutz-Projekt zur Wiederansiedlung der Europäischen Bisons. Als erstes Wisent zog 2010 der Leitbulle Egnar in das eingezäunte 88 Hektar große Auswilderungs-Areal in Bad Berleburg ein - davor "wohnte" er im Gehege Hardehausen. Weitere Tiere folgten, darunter auch die Leitkuh Araneta.
Die Herde wurde um Egnar und Araneta herum aufgebaut. Am 1. April 2013 schließlich entließ man die damals achtköpfige Gruppe in die Freiheit. Nur wenige Wochen später kam das erste Jungtier zur Welt.
Inzwischen hat sich die frei lebende Wisent-Herde deutlich vergrößert. Mindestens 25 Mitglieder sollen es sein, die sich "irgendwo" auf dem Rothaarkamm zwischen dem Wittgensteiner Land und dem Sauerland aufhalten. Eine Begegnung mit den Ur-Rindern in freier Wildbahn allerdings ist eher unwahrscheinlich, da sie Menschen meiden.
Falls du Wisente gerne mal aus der Nähe beobachten würdest, kannst du die Wisent-Wildnis am Rothaarsteig besuchen. Ein weitgehend naturbelassenes, eingezäuntes Gebiet mit einer Fläche von 20 Hektar, in dem eine zweite Herde zuhause ist. Eine Garantie, dass man die Tiere zu Gesicht bekommt, gibt's aber auch hier nicht.
Achtung! Das solltest du tun, wenn du einem Wisent begegnest
⚠️ Wisente sind grundsätzlich scheu und zurückhaltend. Menschen gehen sie üblicherweise aus dem Weg, ein Angriff ist unwahrscheinlich. Sollte man einem Wisent begegnen, gilt: Mindestens 50 Meter Abstand halten! Besondere Vorsicht ist bei Kühen mit Jungtieren angebracht. Wer ihnen zu nahe kommt, muss mit Aggression rechnen, denn sie verteidigen - wie auch Elch- oder Elefanten-Mütter - ihren Nachwuchs vehement.
Einwanderung eines Wisents: mit tödlichem Ende
Tragische Einwanderung: Im September 2017 spazierte ein frei lebender Wisent von Polen aus nach Deutschland und wurde auf einem Deich bei Lebus in Ostbrandenburg erschossen. Es war der erste wilde Wisent, der nach über 250 Jahren auf deutschem Boden gesichtet worden war.
Die beiden Jagdpächter, die das Tier erlegt hatten, handelten auf Anweisung des Ordnungsamtes. Der World Wide Fund For Nature (WWF) stellte damals Strafanzeige, das Verfahren allerdings wurde eingestellt. Im Nachhinein stufte das Brandenburger Justizministerium den Abschuss als illegal ein. Allein die Polizei hätte das Tier abschießen können – und auch dann nur, wenn von diesem unmittelbar Aggression gegen Menschen ausgegangen wäre.
Häufige Fragen zum Wisent
Die größte Wisent-Population findet man im Urwald von Bialowieża. Im polnischen Teil des Waldes leben um die 500 Wisente - etwas mehr als auf der belarussischen Seite.
Europäische Bisons werden Wisente genannt. Im Vergleich zu ihren engen Verwandten, den Amerikanischen Bisons (tatsächlich als Bisons bezeichnet), sind sie schlanker und hochbeiniger.
Ein Wisent kann trotz seines immensen Gewichts relativ schnell galoppieren und erreicht im Sprint eine Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h. Diese hohe Geschwindigkeit kann es allerdings nur über weniger als 100 Meter halten - danach muss der Wisent meist schwer atmend pausieren.
Da Wisente gerne Rinde verspeisen, entstehen mitunter Schäl-Schäden an Bäumen. Gut zu wissen: Nur wenn Bäume im gesamten Stammumfang geschält sind, sterben sie ab - aber das ist bei der Wisent-Knabberei meist nicht der Fall.