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Psychologie

Proust-Effekt: Darum lösen Gerüche Erinnerungen bei dir aus

  • Veröffentlicht: 03.06.2024
  • 05:00 Uhr
  • Julia Wolfer
Gerüche können Erinnerungen und Emotionen in uns hervorrufen.
Gerüche können Erinnerungen und Emotionen in uns hervorrufen.© Imago Images / Shotshop

Manchmal sorgen Gerüche dafür, dass du dich an etwas erinnerst. Dieses Phänomen nennt man Proust- oder Madeleine-Effekt. Was dahinter steckt und was dabei in deinem Gehirn passiert.

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Proust-Effekt: Das Wichtigste zum Thema

  • Der Proust-Effekt beschreibt das Phänomen, dass ein Geruch oder Geschmack unerwartet Erinnerungen oder Emotionen hervorrufen kann.

  • Benannt ist der Effekt nach dem französischen Schriftsteller Marcel Proust.

  • Auch Geräusche können Erinnerungen und Emotionen hervorrufen. Bei Gerüchen ist der Effekt aber deutlich stärker.

  • Die Ursache des Phänomens ist weitgehend unbekannt. Forscher:innen vermuten jedoch, dass der Effekt eine Warnfunktion haben könnte.

Inhalt

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Was ist der Proust-Effekt?

Viele Menschen haben es schon einmal erlebt: Man nimmt einen Geruch wahr – und plötzlich tauchen unerwartete Erinnerungen oder Emotionen auf. Dieses Phänomen nennt man auch Proust-Effekt. Der Name geht auf den französischen Schriftsteller Marcel Proust zurück, der den Effekt in seinem Buch "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" aus dem Jahr 1910 beschreibt.

In einer Szene des Romans wird der Kunstliebhaber Swann durch den Geruch von frisch gebackenen Madeleines und einer Tasse Tee in eine längst vergangene Erinnerung zurück katapultiert:

"Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand, hatte ihn durchströmt. […] Und dann mit einem Male war die Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine, die ihm am Sonntagmorgen seine Tante Léonie anbot, nachdem sie sie in ihren Tee getaucht hatte."

Weil die Erinnerung im Buch durch den Geruch des französischen Traditionsgebäcks Madeleine ausgelöst wird, wird das Phänomen manchmal auch Madeleine-Effekt genannt.

Im Video: Darum riecht Regen so speziell

Der Proust-Effekt: Was passiert im Gehirn?

Die genauen Ursachen des Proust-Effekts sind unbekannt. Einige Forscher:innen halten jedoch die einzigartige anatomische Nähe bestimmter Gehirn-Bereiche für eine mögliche Erklärung:

  • Gerüche werden von den Riechzellen der Nase an den Riechkolben gesendet, eine Ausstülpung unterhalb des Gehirns.
  • Von dort werden die Signale an den olfaktorischen Kortex weitergeleitet, wo die Gerüche interpretiert werden.
  • Diese Areale für die primäre Geruchs-Wahrnehmung liegen im Gehirn sehr nahe an der Amygdala (Mandelkern), die wiederum für die emotionale Verarbeitung sowie für die Speicherung von Gedächtnis-Inhalten zuständig ist.
  • Auch der Hippocampus liegt in direkter Nachbarschaft. Er ist für die Verarbeitung von Erlebnissen verantwortlich und formt Erinnerungen.

➡️ Die besondere Nähe der Areale ermöglicht es, dass unser Gehirn Gerüche zunächst nach Gefühlsregungen beurteilt – und die Gefühle sind der Schlüssel zu unseren Erinnerungen.

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Darum lösen Gerüche Erinnerungen aus

Grundsätzlich können alle Sinnes-Wahrnehmungen Erinnerungen und Emotionen hervorrufen. Der Geruchssinn hebt sich allerdings von anderen Sinnen ab. Durch die räumliche Nähe von Riechkolben, olfaktorischem Kortex, Amygdala und Hippocampus werden Gerüche anders verarbeitet als andere Sinnes-Eindrücke:

➡️ Gerüche gelangen auf direktem Wege in das limbische System, zu dem unter anderem die Amygdala und der Hippocampus gehören. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation von Emotionen und Langzeit-Gedächtnis. Sehen, Hören, Tasten und Schmecken durchlaufen zunächst andere Verarbeitungspfade im Gehirn, bevor sie das limbische System erreichen.

Laut Studien können die durch Gerüche hervorgerufenen Erinnerungen tatsächlich weiter zurückreichen und sind oftmals intensiver als beim Sehen, Hören oder Schmecken. Durch die besondere Kopplung im Gehirn werden Gerüche auch weniger bewusst wahrgenommen und können dadurch eine besondere Kraft entfalten.

Warum das Gehirn Gerüche mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft, darüber rätseln Wissenschaftler:innen bis heute. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass uns Gerüche auf diese Weise vor Gefahren warnen können. Die meisten Gerüche bewerten wir nach persönlicher Erfahrung und kulturellem Hintergrund. Ob wir einen Geruch als positiv oder negativ empfinden, hängt meist stark von der damit verbundenen Erinnerung ab.

➡️ Haben wir einen Geruch mit einer negativen Erfahrung abgespeichert, werden wir beim nächsten Mal vorgewarnt, wenn der Geruch wiederauftaucht.

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© GettyImages

Proust-Effekt: So nutzen ihn Medizin, Kriminologie und Marketing

  • Medizin: Menschen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, können durch Gerüche an traumatische Erlebnisse erinnert werden. Umgekehrt können Gerüche in der Therapie von PTBS sehr nützlich sein: Riechen Patient:innen zum Beispiel an Kaffeebohnen, wenn negative Erinnerungen auftauchen, kann ihnen das helfen, in der Gegenwart zu bleiben. Auch in der Behandlung von Demenz können Gerüche eingesetzt werden, um längst verschüttete Erinnerungen wieder aufleben zu lassen.
  • Kriminologie: Gerüche werden mitunter auch von der Polizei bei Befragungen von Augenzeug:innen und Opfern eingesetzt. Ermittler:innen erhoffen sich davon, dass sich Zeug:innen detaillierter an ein Verbrechen erinnern können. Denn Gerüche können tief verankerte, vergessene Details hervorrufen, die bei der Rekonstruktion von Ereignissen und der Identifizierung von Täter:innen hilfreich sein können.
  • Marketing: Der Proust-Effekt kann zu Marketing-Zwecken genutzt werden, etwa um emotionale Verbindungen zu Produkten und Marken herzustellen. Duftmarketing soll eine angenehme Atmosphäre schaffen, die Marken-Identitäten verstärken und nostalgische Erinnerungen wecken. Beispielsweise verwenden Bäckereien den Duft von frischem Brot, um Kund:innen anzulocken und ein heimeliges Gefühl zu erzeugen. Das kann die Kaufbereitschaft steigern.
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Die wichtigsten Fragen zum Proust-Effekt

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