Soll es Lockerungen für Corona-Geimpfte geben? Das sagt der Ethikrat
- Veröffentlicht: 08.02.2021
- 17:31 Uhr
- Galileo
Seit Wochen läuft die Diskussion: Sollte es Lockerungen für Corona-Geimpfte geben? Dürfen sie wieder ins Café, auf Konzerte oder ins Stadion? Der Ethikrat hält das aktuell für falsch - mit einer Ausnahme. Alle Argumente dafür und dagegen im Überblick.
Das Wichtigste zum Thema Impf-Privilegien
Die Bundesregierung hat Lockerungen für Corona-Geimpfte bislang abgelehnt, weil sie keine 2-Klassen-Gesellschaft will.
Auch der Deutsche Ethikrat spricht sich dafür aus, vorerst keine Ausnahmen bei den Corona-Beschränkungen für Geimpfte zu machen.
Begründung: Zuvor muss geklärt sein, ob Geimpfte das Virus noch weitergeben könnten. Nur wenn das ausgeschlossen werden kann, wäre der Schutz der Allgemeinheit weiter gewährleistet.
Sollten Geimpfte definitiv nicht mehr ansteckend sein, wäre es denkbar, dass sie wieder mehr Spielraum erhielten, so der Deutsche Ethikrat. Allerdings nur, wenn dies nicht zu Ungerechtigkeiten führe, beispielsweise weil noch nicht alle Menschen ein Impf-Angebot erhalten haben.
Was spricht für und gegen Lockerungen für Corona-Geimpfte? Dürfte Nicht-Geimpften der Zutritt verweigert werden? Der Überblick.
Darf der Türsteher Nicht-Geimpften den Zutritt verweigern?
🙅♂️ Betreiber von Restaurants oder Cafés dürften generell sagen, dass sie nur geimpfte Personen bei sich rein lassen wollen. Zum Beispiel, um sich selbst, ihr Personal oder andere Gäste zu schützen.
📖 Hintergrund: Für Private gilt in Deutschland der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Jede/r darf frei entscheiden, mit wem sie oder er Verträge schließt. Niemand kann gezwungen werden, Kunden zu akzeptieren.
🥴 Eine legale Auswahl-Entscheidung ist es zum Beispiel, wenn ein Betreiber einer Diskothek einen Gast nicht rein lässt, weil er zu betrunken ist - oder auch weil ihm der Kleidungsstil nicht gefällt.
☝ Grenzen setzt aber das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). So sind zum Beispiel Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts unzulässig.
🙅♂️ Der Impfstatus wird derzeit nicht als Kriterium für eine unzulässige Diskriminierung im AGG genannt: Daher dürften Betreiber sagen, dass sie nur noch Verträge mit geimpften Personen schließen wollen.
Lockerungen für Corona-Geimpfte? Das sind die Gegen-Argumente:
🗣 Der Deutsche Ethikrat spricht sich aktuell gegen Lockerungen für Corona-Geimpfte aus. Weil eben noch unklar ist, ob sie noch infektiös sein können. Die Datenlage dazu ist dünn. Bisherige Tests der Impfstoffe ergaben zwar, dass die Geimpften mit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr an Covid-19 erkranken. Sonderrechte für Geimpfte kommen aber nur in Frage, wenn mit ähnlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass sie das Virus an andere weitergeben. Laut Robert Koch-Institut ist es denkbar, dass Geimpfte zwar selbst nicht erkranken, das Virus aber weitergeben. Biontech rechnet mit Daten dazu bis März.
👥 Solange nicht alle die Chance hatten, sich impfen zu lassen, soll es keine Privilegien für Geimpfte geben. So sieht das die Regierungs-Koalition. Der Ethikrat betonte außerdem, dass ein Teil der Bevölkerung die Rücknahme der Corona-Auflagen für Geimpfte als ungerecht beurteilen könnte.
🪓 Mit Impf-Privilegien droht eine Spaltung in der Gesellschaft. "Zwischen bereits Geimpften und nicht Geimpften dürfen wir keinen Keil treiben", meint Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.
⏳ Auch die Ungeduld der Impfwilligen würde so massiv erhöht werden.
🤝 Aus Solidarität sollten sich Geimpfte noch gedulden, so die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx sowie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Viele würden ja auch solidarisch warten, damit andere zuerst geimpft werden können.
😷 Die weiterhin notwendige Masken- und Abstands-Disziplin könnte bröckeln, wenn sich in Bahnen und auf Plätzen erste Grüppchen von unmaskierten Geimpften zeigen. Die Pandemie-Bekämpfung gelingt nur, wenn alle mitmachen. Die Regeln sollten für alle zum selben Zeitpunkt aufgehoben werden.
Lockerungen für Corona-Geimpfte? Das sind die Argumente dafür:
👩💼 Kanzlerin Merkel deutete an, dass es Unterschiede zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften geben könnte - und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem sehr viele Menschen ein Angebot bekommen haben. Wenn Menschen dann nicht geimpft werden möchten, "muss man vielleicht schon solche Unterschiede machen und sagen: Wer das nicht möchte, der kann vielleicht auch bestimmte Dinge nicht machen". Konkrete Beispiele nannte sie aber nicht.
👵 Der Ethikrat plädiert für Ausnahme für Bewohner von Pflegeheimen, Behinderten-Einrichtungen oder Hospiz-Patienten. Sobald sie geimpft sind, sollen Ausgangsverbote oder Besuchs- und Kontakt-Einschränkungen dort aufgehoben werden. Die ethische Rechtfertigung: die hohen Belastungen, die die Bewohner im Verlauf der Pandemie erlebt haben.
💉 Privilegien könnten die Impf-Bereitschaft in Deutschland erhöhen. Die ist laut Daten des ARD-Deutschland-Trend zwar bei 50 Prozent, für die angestrebte Herden-Immunität reicht das aber noch nicht aus. Während der ersten Welle waren noch circa 80 Prozent zu einer Corona-Impfung bereit. Viele wollen derzeit aber erst mal abwarten.
🍝 Für die Gastronomie ist die Option, nur geimpfte Gäste zu empfangen, besser als die, ganz geschlossen zu bleiben.
👨💼 Für den ehemals vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, ist das Aufheben von Beschränkungen kein Privileg, sondern die Herstellung der Regel und des Normalzustands.
👨💼 Sollte bald feststehen, dass von einem geimpften Menschen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, ist die Aufhebung der Beschränkungen kein Vorteil, den diese Menschen zu Unrecht genießen, sondern einer, den sie aufgrund ihrer Grundrechte fordern können, so Fischer.
👨⚖️ Solidarität kann auch bedeuten, dass die Nicht-Geimpften den Geimpften gönnen, stärker ins öffentliche Leben zurückkehren zu dürfen.
Grundrechts-Einschränkungen - so lange sind sie gerechtfertigt
📖 Das Grundgesetz gibt allen Bürgern Grundfreiheiten, die momentan wegen des Infektions-Schutzes in vielen Bereichen eingeschränkt sind.
☝ Solche Einschränkungen sind aber nur dann zulässig, wenn es dafür einen guten Grund gibt.
🙅 Würde die Infektions-Gefahr nach einer Impfung wegfallen, gäbe es keinen guten Grund mehr für eine Einschränkung der Grundrechte.
👩⚖️ Dann müsse der Staat begründen, warum man Corona-Geimpften ihre Rechte auch weiter nicht gewährt. Denn: Grundrechte sind für Bürger einklagbar. Dann würden die Gerichte im Einzelfall prüfen, ob der Staat nicht vielleicht sogar verpflichtet ist, Unterschiede zu machen.
Lockerungen für Corona-Geimpfte? So haben die ProSieben-Zuschauer abgestimmt
Sollten Geimpfte Privilegien bekommen? Zum ProSieben Spezial am 11. Januar konnten die Zuschauer in der Galileo-App abstimmen.
Das ist das Ergebnis:
👍 Ja - 34 Prozent
🤷 Unentschlossen - 6 Prozent
👎 Nein - 60 Prozent
Corona-Impfstoffe im Vergleich
Impf-Dokumente für mehr Freiheit - in diesen Ländern gibt's das
Dänemark 🇩🇰
Das skandinavische Land führt bald einen Corona-Impfpass ein. Ende Februar können die Dänen bereits eine Version auf der Webseite der Gesundheitsbehörde herunterladen. Damit sollen Reisen erleichtert werden. Später soll ein digitaler Corona-Pass für alle Bürger folgen, der weitere Privilegien mit sich bringen könnte. Final sei das aber von der Regierung noch nicht entschieden. Auch hier hängt die Entscheidung von der Frage ab, ob Geimpfte noch andere Menschen anstecken können.
Ziel: Der Pass soll zu einer schrittweisen Öffnung des Landes beitragen, so die dänische Regierung. Entwickelt wird er mit Vertretern der Industrie und des Kulturlebens. Wirtschaftsvertreter versprechen sich auch eine Wiederbelebung der Veranstaltungs- und Event-Branche.
Israel 🇮🇱
Im 9-Millionen-Einwohner-Land haben erhalten Geimpfte 2 Wochen nach der 2. Corona-Impfung eine Impf-Bestätigung per App. Damit können sie einen "Grünen Pass" beantragen.
Ziel: den Anreiz zur Impfung erhöhen und nicht mehr gefährdete Personen von Einschränkungen befreien. Die Wirtschaft soll schneller öffnen können, um eine schrittweise Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen.
Noch ist nicht bekannt, welche Lockerungen der Pass ermöglichen soll. Spekuliert wurde zuletzt über die Möglichkeit, Quarantäne-Pflichten zu umgehen, sowie über einen erleichterten Zugang zu Restaurants, Kultur- und Sportveranstaltungen.
Noch ist unklar, wann der Grüne Pass ausgegeben wird und wie lange er gültig sein soll.
Die WHO spricht sich gegen Corona-Pässe aus
Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist wegen der vielen ungeklärten Fragen aktuell gegen eine Einführung von Corona-Impfpässen. Noch immer stünden Impfstoffe nur in geringer Menge und nur für wenige Menschen zur Verfügung.