Misophonie: Was es mit extremer Geräuschempfindlichkeit auf sich hat
- Veröffentlicht: 23.10.2023
- 11:08 Uhr
- Galileo
Macht es dich richtig aggressiv, wenn jemand Kekse isst oder die Uhr tickt? Dann hast du vielleicht Misophonie. Was hinter diesem "Selektiven Geräuschempfindlichkeits-Syndrom" steckt und welche Behandlungen dagegen helfen können, erfährst du auf dieser Seite.
Das Wichtigste zum Thema Misophonie
Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern für "Hass" und "Geräusch" zusammen. Er bezeichnet den Hass auf bestimmte alltägliche Laute.
Bei dem Phänomen handelt es sich um eine neurologische Störung, die auf einer sogenannten selektiven Geräusch-Intoleranz basiert. Bislang ist das Beschwerdebild noch nicht als Krankheit anerkannt worden.
Die Symptome sind trotzdem echt: Herkömmliche Töne wie beim Essen eines Kekses können bei Betroffenen außerordentliche Wut verursachen.
Auslöser für den extremen Ekel sind vermutlich frühere schlechte Erfahrungen.
Definition: Was versteht man unter Misophonie?
Unter Misophonie versteht man eine sehr starke Wut oder Aggression, die durch herkömmliche Geräusche bewirkt wird - und zwar unabhängig von der Lautstärke.
Bislang ist Misophonie noch keine "anerkannte" Erkrankung. Überhaupt ist das Phänomen - abgesehen von etwa der Forschung durch Pawel und Margaret Jastreboff - noch wenig untersucht. Das Wissenschaftler-Ehepaar beschäftigte sich in den 1990er-Jahren als erstes mit dem Hass auf Geräusche und gab der Krankheitserscheinung seinen Namen.
Ursache und Entstehung: Was verursacht die Geräuschempfindlichkeit?
Der Auslöser für Misophonie ist offenbar keine Beschädigung des Ohrs oder Gehörgangs. Vielmehr scheint das Problem bei der Verarbeitung von Geräuschen zu entstehen.
Die Ursprünge einer Misophonie können etwa in der Kindheit oder Jugend liegen. Zum Beispiel in der zerrütteten Beziehung zu einem ehemaligen Freund, der immer auf eine bestimmte Art und Weise Kekse gekaut hat.
Durch sogenannte Konditionierung koppeln Betroffene diese negativen Erinnerungen an bestimmte, sich wiederholende Sinnesreize. Jedes Mal, wenn Misophoniker:innen den entsprechenden Ton hören, fühlen sie sich in die ungute Lage zurückversetzt. Das ruft ein Gefühl der starken Wut, Herzklopfen, Schweißausbrüche oder sogar Übelkeit hervor.
Misophonie vs. andere Hörbeschwerden: Worin unterscheiden sie sich?
😵 Wegen ihrer noch jungen Geschichte und den teilweisen Übereinstimmungen der Symptome mit anderen Krankheiten des Gehörs wird Misophonie noch nicht immer richtig erkannt.
😨 So wird sie schon mal mit Phonophobie verwechselt. Anders als bei einer Misophonie leiden Betroffene hier aber unter permanenter Angst vor möglichen lauten Geräuschen.
😣 Bei einer Hyperakusis wiederum quälen sich Betroffene mit einer krankhaften Überempfindlichkeit gegenüber sämtlichem Schall. Hier stören also alle Geräusche und nicht nur bestimmte.
🔊 Teils wird Misophonie auch mit einer Tinnitus-Erkrankung verwechselt. Tinnitus ist jedoch der Fachausdruck für Ohrgeräusche, die durch Störungen des Hörsystems ausgelöst werden können.
Wie häufig tritt die Lärmempfindlichkeit auf?
Das Empfinden von Geräuschen ist grundsätzlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich und ist auch durch gewohnte Umwelteinflüsse bedingt. Mit zunehmenden Alter steigt das Risiko einer Erkrankung des Gehörs generell.
Misophonie ist eher weniger weit verbreitet. Laut Schätzungen könnten etwa fünf Prozent der Bevölkerung betroffen sein.
Welche Geräusche triggern Misophoniker:innen?
👂 Die lautlichen, teils auch visuellen Reize, die radikale emotionale Reaktionen auslösen, nennen Expert:innen "Trigger".
👀 Andere Eindrücke geraten für Misophoniker:innen in den Hintergrund. Die Trigger reißen die volle Aufmerksamkeit der Betroffenen auf sich.
👨🏫 Grundsätzlich kommt eine Vielzahl von Sinnesreizen als mögliche Auslöser infrage. Meist entwickeln sich aber nicht die allgemein nervigen Geräusche wie das Schreiben mit Kreide auf einer Tafel zu Triggern.
🖊 Vielmehr sind übliche Laute wie das Klicken eines Kugelschreibers, das Schniefen mit der Nase, einfaches Kauen oder Atemgeräusche Beispiele dafür.
Therapie von Misophonie: Diese Behandlungsmöglichkeiten gibt es
Ein heilendes Medikament gegen Misophonie gibt es bisher nicht. Mithilfe von Therapien können Betroffene aber lernen, ihre emotionalen Ausbrüche besser zu kontrollieren. Symptome können dadurch langfristig gelindert werden.
Eine vielversprechende Möglichkeit ist die sogenannte Gegen-Konditionierung. Ärzt:innen und Therapeut:innen helfen Misophoniker:innen, Geräusche anders zu interpretieren. Anstelle von negativen Erinnerungen sollen die jeweiligen Trigger mit positiven Gefühlen besetzt werden.
Sogenannte Oasen ohne Trigger können für Betroffene zudem eine Zuflucht sein, die sie zumindest kurzzeitig entlasten.
Willst Du noch mehr über Misophonie erfahren?
Misophonie - Hilfe für Betroffene und Angehörige
Jastreboff, P. + M. - Treatments for Decreased Sound Tolerance
Kumar, S. et al. - The Brain Basis for Misophonia
Info-Webseite des Deutschen Ärzteblatts
Häufige Fragen zu Misophonie
Die genaue Ursache von Misophonie ist noch unklar. Es wird jedoch angenommen, dass neurologische, genetische und Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Zum Beispiel kann die Erinnerung an eine negative Erfahrung mit einem bestimmten Geräusch dieses negativ besetzen. Beim Hören dieses Lauts wird sie wieder und wieder aufgerufen.
Während viele Menschen empfindlich auf bestimmte Geräusche reagieren können, geht Misophonie über normale Reizempfindlichkeit hinaus. Menschen mit Misophonie erleben extreme emotionale Reaktionen, die ihren Alltag stören können.
Die Trigger-Geräusche variieren von Person zu Person. Es können beispielsweise Alltagsgeräusche wie Kauen, Schlürfen, Schniefen, Tastaturanschläge, Husten oder sogar Atemgeräusche sein.
Menschen mit Misophonie können Strategien für einen besseren Umgang entwickeln. Dazu gehören das Nutzen von Kopfhörern oder Ohrstöpseln sowie Entspannungs- und Ablenkungstechniken.
Misophonie ist relativ selten und wird oft erst spät erkannt. Die genaue Verbreitung ist schwer abzuschätzen, da viele Menschen ihre Reaktionen auf Trigger-Geräusche nicht als medizinisches Problem erachten.