Verlängerter Lockdown, verschärfte Maskenpflicht: Was jetzt kommt
- Veröffentlicht: 19.01.2021
- 20:00 Uhr
- Galileo
Der Lockdown wird bis Mitte Februar verlängert, bei der Maskenpflicht und bei Home-Office wird nachgeschärft. Darauf haben sich Bund und Länder bei ihren Beratungen verständigt. Die neuen Corona-Regeln im Überblick. Im Clip: Wer berät die Politiker und welche Maßnahmen helfen wirklich!
Das Wichtigste zum Thema Corona-Maßnahmen
Bund und Länder haben nicht erst wie geplant am 25. Januar, sondern schon am 19. über weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie beraten.
Die Infektions-Lage bietet zwar erste Lichtblicke, die Zahlen sind Experten zufolge aber noch viel zu hoch für Lockerungen.
Wegen der weiter hohen Infektions-Zahlen und aus Sorge vor Virus-Mutationen wie B.1.1.7 wollen Bund und Länder den Lockdown bis zum 14. Februar verlängern.
Bis dahin bleiben auch Schulen geschlossen. Im ÖPNV und in Geschäften sind künftig nur noch medizinische Masken erlaubt. Was gilt genau? Weiter unten findest du den Überblick!
Frankreich hat schon vor Tagen eine landesweite Ausgangssperre ab 18 Uhr verhängt, und in Irland sind private Besuche komplett untersagt. Wie andere Länder vorgehen, erfährst du ebenfalls auf dieser Seite.
Was haben Bund und Länder beschlossen?
📅 Lockdown-Verlängerung: Bund und Länder haben sich bei ihren Beratungen auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. Februar verständigt. Gastronomie, Freizeiteinrichtungen und weite Teile des Einzelhandels bleiben damit geschlossen. Der aktuelle Lockdown war bis Ende Januar befristet. Bund und Länder sollen rechtzeitig über das weitere Vorgehen nach dem 14. Februar beraten und eine Öffnungs-Strategie ausarbeiten.
😷 Eine Pflicht zum Tragen medizinischer Masken gilt künftig in öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften und dort, wo Home-Office keine Option ist. Dazu zählen FFP2-Masken, KN95/N95-Masken und OP-Masken. Einfache Alltagsmasken reichen nicht mehr aus, weil die mehr Tröpfchen und Aerosole durchlassen.
🚃 Reduzierung des ÖPNV: Insgesamt wollen Bund und Länder das Fahrgast-Aufkommen in Bussen und Bahnen zu Stoßzeiten durch weitgehende Nutzung von Homeoffice-Möglichkeiten oder zusätzlich eingesetzte Verkehrsmittel entzerren.
💻 Home-Office: Überall, wo es die Tätigkeiten zulassen, sollen Beschäftigte im Home-Office arbeiten können. Dazu wird das Arbeitsministerium eine Verordnung erlassen. Wo Arbeiten in Präsenz weiter erforderlich ist, sollen Betriebe medizinische Masken bereitstellen und flexible Arbeitszeiten ermöglichen. Darfst du jetzt also einfach ins Home Office? Wir klären auf.
👵 Eine FFP2-Maskenpflicht gilt für das Personal in Alten- und Pflege-Einrichtungen beim Kontakt mit den Bewohnern. Zudem soll das Personal mehrmals die Woche Corona-Schnelltests unterzogen werden. Auch alle Besucher sollen beim Betreten der Einrichtungen getestet werden.
👭 Keine Änderung gibt es bei den Kontaktbeschränkungen. Erlaubt ist weiterhin der Kontakt mit einer weiteren Person aus einem anderen Haushalt.
🏫 Über Schulschließungen wurde heftig diskutiert. Nun steht fest: Schulen bleiben bis 14. Februar grundsätzlich geschlossen und die Präsenzpflicht wird ausgesetzt. Kanzlerin Angela Merkel drängt auf eine "restriktive Umsetzung" dieser Regel. In Kitas wird analog verfahren.
⛪ Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sowie die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften sind zulässig, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern gewahrt wird, medizinische Masken getragen werden und nicht gemeinsam gesungen wird. Zusammenkünfte mit mehr als 10 Personen müssen beim Ordnungsamt angemeldet werden.
🌙 Zu einer bundesweit einheitlichen Regelung zu Ausgangssperren konnten sich die Kanzlerin und die Länder-Chefs nicht durchringen. Das soll weiterhin von den einzelnen Ländern geregelt werden.
Wer sind die Corona-Berater?
💬 Im Vorfeld der letzten Bund-Länder-Runde ließen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten von Fachleuten beraten. Die mahnten Verschärfungen an. Wer war dabei?
👨💼 Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Instituts (RKI). Er berät die Regierung seit Beginn der Pandemie. Er plädierte für härtere Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung. Mit Blick auf die ansteckenderen Corona-Mutationen aus Großbritannien und Südafrika äußerte er sich besorgt: "Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert."
👨💼 Michael Meyer-Hermann ist Professor an der Technischen Universität Braunschweig und Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Er warnte vor einer schnellen Ausbreitung der Virus-Mutationen in Deutschland und plädierte ebenfalls für härtere Regelungen.
👨💼 Christian Drosten, Chef der Virologie an der Berliner Charité. Als einer der weltweit führenden Spezialisten für Corona-Viren berät er die Bundesregierung seit Beginn der Pandemie. Er ging früh davon aus, dass die Corona-Mutation aus Großbritannien schon in Deutschland ist - und verwies immer wieder darauf, dass die bekannten Gegenmaßnahmen (zum Beispiel Kontakt-Reduktionen) helfen, die Ausbreitung der neuen Virus-Varianten zu reduzieren.
👩💼 Cornelia Betsch ist Psychologie-Professorin an der Universität Erfurt. Sie analysiert, wie sich die Maßnahmen auf die Einstellung der Bevölkerung auswirken, warnte vor "Pandemie-Müdigkeit" und einem Vertrauensverlust der Bevölkerung.
👨💼 Kai Nagel ist Mobilitäts-Forscher an der TU Berlin. Er kann sagen, wohin das Virus "unterwegs" ist: Anhand von anonymisierten Handy-Daten untersucht er, in welchem Radius wir unterwegs sind - und so das Virus verbreiten. Er warnte, dass sich die Mutation bis Mitte März in Deutschland ausbreiten werde, und hält eine Ausgangssperre am Abend sowie eine FFP2-Maskenpflicht am Arbeitsplatz für sinnvoll.
👨💼 Rolf Apweiler ist Molekularbiologe und Direktor des European Bioinformatics Institute in Cambridge. Er forderte einen "scharfen Lockdown", schnelles Impfen und breite Gen-Sequenzierung zur Erkennung neuer Virus-Varianten, um die Infektions-Zahlen schnell zu senken.
👩💼 Melanie Brinkmann ist Virologin am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung. Sie ist Unterstützerin der ZeroCovid-Kampagne, die für besonders konsequente Maßnahmen eintritt.
👨💼 Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), gilt als Verfechter von sehr zielgerichteten Maßnahmen. Er fordert immer wieder bessere Konzepte zum Schutz von Risikogruppen.
Das Ziel in Zahlen
Das Ziel ist weiterhin: Eine 7-Tage-Inzidenz von 50. Nur wenn die Zahl der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von 7 Tagen unter 50 liegt, sei es den Gesundheitsämtern möglich, Infektionsketten nachzuvollziehen, so Regierungssprecher Seibert.
Die 7-Tages-Inzidenz lag am Dienstagmorgen (19. Januar) bei 132. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind aktuell allerdings enorm: Die höchsten Inzidenzen haben Thüringen mit 256 und Sachsen mit 226. Den niedrigsten Wert hat Bremen mit 83.
Warum der 1. Lockdown im Frühjahr viel effektiver war
Der aktuelle Lockdown ist laut RKI-Präsident Lothar Wieler noch nicht so effektiv wie der aus dem Frühjahr (laut RKI und Berliner Humboldt-Universität) In allen Bereichen gebe es noch genug Luft nach oben, um Maßnahmen einzuhalten - "mit aller Konsequenz".
Deutlich weniger Menschen würden im Home-Office arbeiten, zu viele Bürger fahren weiter mit Bus und Bahn, und immer noch finden zu viele Reisen und Wochenend-Ausflüge statt.
Um Kontakte zu reduzieren, setzen Bund und Länder aktuell schon auf die 15-Kilometer-Regel: Überschreitet ein Landkreis die 7-Tage-Inzidenz von 200, dürfen sich die Bewohner nicht mehr als 15 Kilometer weit von ihrem Wohnort entfernen.
Diese Eingrenzung beschränke die Gesamt-Mobilität um rund 5 Prozent, so der Physiker Dirk Brockmann, der seit Beginn der Pandemie die Bewegungsdaten in Deutschland analysiert. Die Maßnahme hat also einen Effekt - allerdings würde der ungleich größer werden, wenn man den Radius verringert.
Wie andere Länder vorgehen
🇫🇷 Frankreich: Auf dem gesamten Festland gilt eine tägliche Ausgangssperre von 18 Uhr bis 6 Uhr (zuvor galt sie ab 20 Uhr). Während dieser Zeit dürfen die Menschen nicht mehr an der frischen Luft spazieren gehen, Sport machen oder einkaufen. Sie dürfen aber zum Beispiel weiterhin zur Arbeit fahren oder wegen zwingender familiärer Gründe das Haus verlassen. Wegen der neuen Corona-Virus-Varianten gilt für Reisende aus Ländern außerhalb der EU nun eine generelle Testpflicht bei Einreise und eine 7-tägige Quarantäne.
🇮🇹 Italien: Im Frühjahr war das Land schwer von der Corona-Pandemie getroffen und monatelang im Lockdown. Aktuell wird eine Region bei einer 7-Tages-Inzidenz von 250 oder mehr zur "roten Zone" erklärt - mit strengem Ausgangsverbot, Geschäfts-Schließungen und Home-Schooling. Der durchschnittliche Inzidenzwert im Land liegt bei bei 203. Was Impfungen angeht, liegt Italien europaweit vorn. Mehr als eine halbe Million Menschen haben sich bereits impfen lassen, darunter auch das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Franziskus.
🇦🇹 Österreich: Seit Ende Dezember ist der Handel - bis auf die Grundversorgung - geschlossen, Kontakte müssen eingeschränkt werden. Eigentlich sollte am 18. Januar der Präsenz-Unterricht an Schulen wieder beginnen. Doch am Sonntag (17. Januar) verkündete Bundeskanzler Sebastian Kurz: Der Lockdown wird um weitere 2 Wochen verlängert. Die Lage habe sich nochmals deutlich verschärft, denn: Mutationen des Virus seien nun auch in Österreich angekommen. Ziel sei nun, vom 8. Februar an Handel und Museen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wieder zu öffnen. Allerdings müssten die Neu-Infektionen deutlich sinken. So lange blieben Ausgangsbeschränkungen in Kraft und Schulen im Fernunterricht.
🇸🇪 Schweden: Während in der 1. Corona-Welle viele europäischen Länder das öffentliche Leben lahmlegten, setzte Schweden auf die Vernunft der Menschen - was nur mäßig funktionierte: die Infektionszahlen schossen in die Höhe. Derzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 515. Von einem Lockdown ist in Schweden immer noch nicht die Rede, obwohl die Regierung ab sofort strenge Maßnahmen verhängen könnte. Letzte Woche wurde ein neues Pandemie-Gesetz im Eilverfahren verabschiedet. Damit könnten zum Beispiel Einkaufszentren oder Fitness-Studios geschlossen werden.
🇬🇧 Großbritannien: Das Haus darf nur noch für notwendige Aktivitäten wie Arztbesuche oder die Arbeit verlassen werden. Schulen müssen schließen, Freizeitsport ist nicht mehr erlaubt. Großbritannien ist einer der am stärksten von der Pandemie getroffenen Staaten Europas. Englands Premierminister Johnson sprach angesichts der rasant steigenden Fallzahlen von einer um 70 Prozent höheren Ansteckungs-Rate. Es ist aber aktuell unklar, ob die vielen neuen Corona-Fälle in Großbritannien in erster Linie mit der Mutation zu tun haben oder auch mit der Lockerung des Lockdowns im Dezember.
Wie entstehen Virus-Mutationen?
🧬 Im Körper eines Infizierten vermehren sich die Corona-Viren, indem sie ihre RNA, also ihren genetischen Code, reproduzieren.
❌ Dabei können Fehler passieren - die nennt man Mutationen. Die meisten dieser "Kopierfehler" haben keine großen Auswirkungen.
🔬 Bei den Corona-Mutationen aus Großbritannien oder Südafrika aber haben sie das Virus ansteckender gemacht. Hier hat ein ganzes Bündel an Mutationen genau die Stelle verändert, mit der das Virus an den menschlichen Zellen andockt und in sie eindringt.
🤧 So können die mutierten Viren noch enger andocken und uns schneller und effektiver befallen.
💉 Good News: Der Krankheitsverlauf bei dem mutierten Virus ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht schlimmer. Zudem gehen Experten davon aus, dass der Impfstoff von Biontech auch gegen die bislang bekannten Mutationen wirkt. Die Wirksamkeit der anderen Impfstoffe wird aktuell auch beobachtet.