Von wegen dumme Kuh: So clever und sozial sind Rindviecher
- Veröffentlicht: 24.08.2022
- 08:45 Uhr
- Sven Hasselberg
Kühe haben nicht nur große Euter und Augen, sondern auch ein großes Hirn und ein riesiges Herz. Hier erfährst du, wie intelligent sie sind und wie liebevoll sie miteinander umgehen. Im Clip: So könnten Kühe in Zukunft gehalten werden.
Das Wichtigste zum Thema Kühe
Die meisten kennen Kühe von der Weide oder aus dem Stall. Doch wie verhalten sich die Tiere naturgemäß in der Gruppe? Wie ein Wolfsrudel strukturieren sie ihre Herde, angeführt von einer Leitkuh.
Willst du wissen, wie sie das Alpha-Weibchen aussuchen, welche Artgenossen Kühe sogar auf Fotos wiedererkennen, und was passiert, wenn eine Kuh trauert? Dann lies weiter.
Das gilt übrigens für Rinder im Allgemeinen. Denn genau genommen ist die Kuh nur das weibliche Rind, der Stier oder Bulle ist das Männchen und das Kalb das Jungtier. Auch wenn wir oft nur von Kühen sprechen.
Weltweit gibt es ungefähr 100 Rinder-Rassen, die Büffel und Wildrinder nicht mitgezählt. Vor gut 10.000 Jahren hat der Mensch begonnen, sie als Nutztiere zu halten. Ursprünglich stammen sie wohl aus dem Nahen Osten.
Steckbrief: Zahlen und Fakten zur Kuh
Die Kuh - ein soziales Herdentier
Jede Kuh hat ihren Charakter, spielt eine bestimmte Rolle in der Herde. Die ist wie ein Wolfsrudel streng hierarchisch aufgebaut. Das Sozialsystem und die Beziehungen der einzelnen Tiere untereinander spiegeln sich auch darin, wie sie sich auf der Weide verteilen und hinlegen, wer wann frisst und wer als Späherin vorausgeht oder die Nachhut bildet.
Rinder brauchen ihre Herde und vertrauen ihrer Leitkuh. Die Anführerin setzt sich nicht mit reiner Kraft und Größe oder Wagemut durch. Besonders Intelligenz, Selbstbewusstsein, Umsichtigkeit und Erfahrung zeichnen sie aus.
Auch dumm sind Kühe keineswegs. Sie sind intelligenter als Katzen und erkennen den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Es gelingt ihnen, Futter- und Tränk-Maschinen mit Knöpfen oder Hebeln zu betätigen, um an Nahrung und Wasser zu kommen. Da Rinder von Natur aus sehr neugierig sind, machen ihnen solche Aufgaben sogar Spaß. Studien haben gezeigt, dass sie sich freuen, wenn sie eine kniffelige Aufgabe gelöst haben.
Wissenswertes über das liebe Vieh
📣 Kommunikation: Muh ist nicht gleich Muh. Eine Kuh gibt unterschiedliche Laute von sich, wenn sie Hunger hat, wütend ist, die anderen warnt, an Schmerzen leidet, sich wohlfühlt oder etwas Interessantes entdeckt. Außerdem setzen Kühe Körperhaltung und Mimik zur Kommunikation ein. Besonders Gesten mit Kopf und Schwanz helfen beim Verständigen.
🐮🐮 Beste Freundinnen: Sie stehen oder liegen öfter nebeneinander als bei anderen Tieren aus der Herde. Freundinnen verbringen auch mehr Zeit damit, sich gegenseitig durch Lecken das Fell zu pflegen, was auch eine soziale Geste ist. Ihre Freundinnen erkennen Kühe sogar auf Fotos wieder. Trennt man Kühe gemeinsam mit der besten Freundin von der Herde, bleibt ihr Puls ruhiger, als wenn sie allein separiert werden.
🖤 Trauern: Verschwindet eine Kuh, weil der Mensch sie aus der Herde nimmt, schlägt sich das auf das Gemüt der Kuh aber auch der anderen Herdentiere nieder. Nicht nur, dass sie brüllen und sogar weinen, sie sind richtig niedergeschlagen. Führt man sie wieder zusammen, sind sie zwar glücklich, brauchen aber eine Zeit, um sich von dem Schreck zu erholen. Stirbt ein Herden-Mitglied trauern die Anderen lange Zeit.
🍼 Kinderstube: Die Mutter-Kind-Bindung ist besonders eng. Kühe wollen ihre Kälber großziehen. Leider werden sie in der konventionellen Milchwirtschaft oft voneinander getrennt. Dann suchen die Mütter ihre Kinder auf der Weide. Sie rufen nach ihnen und beginnen immer wieder mit dem unruhigen Umhergehen und Ausschau halten.
👁 Sinnesorgane: Die Nase ist ausgezeichnet. Rinder riechen Nahrung und Feinde bis zu 10 Kilometer weit. So finden sie auch ihre Artgenossen leichter. Auch ihr Gehör ist sehr gut, was die Wahrnehmung des Muhens in unterschiedlichen Situationen auch erfordert. So hören Kühe tiefe und hohe Frequenzen besser als Menschen. Ihr Blickfeld umfasst rund 330 Grad.
🧑 Therapietiere: Kühe werden auch für unser Seelenheil eingesetzt. Es gibt Anbieter für Spaziergänge oder fürs Kuscheln mit Kühen. Welchen Effekt das bringt, muss wohl jeder und jede für sich herausfinden. Aber Vorsicht! Nicht alle Kühe wollen angefasst oder gestreichelt werden. Das muss unter fachlicher Anleitung geschehen.
🍃 Wiederkäuer: Kühe sind auch ähnlich wie Rentiere Wiederkäuer. Die schwer verdauliche Nahrung zerkauen sie zuerst nur grob. Anschließend würgen sie den Brei wieder hoch und wiederkäuen ihn.
Kuh-Angriff: Was ist dran am Mythos von aggressiven Kühen?
Sensationsgier beschwört regelmäßig den Mythos der Killer-Kühe herauf. Auf Wiesen kommt es immer mal wieder zu gefährlichen Aufeinandertreffen zwischen Kühen und Wandernden. Dabei wurden Menschen auch schon schwer verletzt oder getötet.
Wichtig an dieser Stelle: Kühe sind grundsätzlich friedliche Flucht-Tiere. Sie laufen weg, sobald sie sich bedroht fühlen. Doch werden sie erschreckt und sehen keinen anderen Ausweg, greifen sie auch an. Dabei folgen sie rein ihrem Instinkt, basierend auf ihrem Sozialleben. Sie verteidigen sich selbst, ihre Herde und vor allem ihre Kälber.
Im Angriffsfall kann eine Kuh kurzfristig auf 30 Kilometer pro Stunde beschleunigen, einige Quellen sprechen von 40. Oft sind Hunde von Spazierenden involviert, was zusätzlich Stress bei den Rindern hervorruft. Schuld ist also in den wenigsten Fällen die Kuh, sondern meist das falsche Verhalten der Menschen.
12 Verhaltensregeln vom Bayerischen Bauernverband für Begegnungen zwischen Menschen und Kühen
👀 Eine Alpe oder Alm ist kein Streichelzoo! Meide direkten Kontakt mit den Kühen. Rinder solltest du auch nicht mit den Augen fixieren, da sie auf die Körpersprache achten.
🤳 Gehe nicht auf Kuschelkurs: Mach keine Selfies mit den Weidetieren.
📏 Halte Abstand von den Kühen - wenn möglich 20 bis 50 Meter.
🐄 Mache einen großen Bogen um Herden mit Kälbern. Kühe schützen ihre Kälber und könnten dich als Gefahr wahrnehmen.
💆♂️ Strahle Ruhe aus: Wenn du über eine Weide musst, laufe langsam und ruhig, aber selbstbewusst an der Herde vorbei.
🚶♀️ Mach keine hektischen Bewegungen und fuchtle nicht mit deinen Wanderstöcken herum. Die Tiere können schreckhaft sein.
🔇 Mach keinen Lärm: Rufe und schreie nicht oder höre keine laute Musik an Weiden.
🐮 Trenne keine einzelnen Tiere von der Herde.
🦮 Halte deinen Hund an einer kurzen Leine. Kühe reagieren instinktbedingt nervös auf andere Vierbeiner. Bei Gefahr solltest du deinen Hund nicht auf den Arm nehmen, sondern von der Leine lassen.
⚠ Achte auf Warnsignale und die Körpersprache der Kühe, wie Senken des Kopfes, Scharren, Brüllen oder Rennen.
👁 Nähere dich den Kühen nicht von vorne: Die Weidetiere haben ein ausgeprägtes seitliches Sichtfeld.
🔄 Kehre den Weidetieren nicht unbeobachtet den Rücken zu und begegne den Vierbeinern immer mit Respekt.
4 Fragen zum Rind
Kühe geben in der Natur, nur so viel Milch, wie ihr Kalb braucht. Werden sie nicht gemolken, kann das zwar Schmerzen oder Entzündungen hervorrufen, doch das Euter platzt nicht. Trinkt das Kalb weniger, fährt auch die Milch-Produktion zurück. Milchkühe in der konventionellen Landwirtschaft geben viel mehr Milch als in der Natur. Würde man die Menge herunterfahren, würden die Kühe ebenfalls weniger Milch produzieren.
In vielen hinduistischen Schriften taucht ein Rind auf. So symbolisiert die Kuh manchmal die Verkörperung der Erde oder gilt als Mutter allen Lebens. Ein Stier ist auch der Begleiter des Gottes Shiva. Der Gott Krishna wuchs als Hirte auf, und bewachte eine Kuhherde. Auch im alten Ägypten und in anderen Kulturen galten und gelten Rinder als heilig.
Der Ochse ist ein männliches Rind. Im Gegensatz zum Stier ist er aber kastriert. Da Stiere schwieriger abzurichten sind, wurden Ochsen aufgrund ihrer Zugkraft und Gutmütigkeit gerne als Arbeitstiere in der Landwirtschaft eingesetzt.
Die Färse ist ein weibliches Rind. Allerdings werden als Färse nur die Kühe bezeichnet, die ab 10 bis 18 Monaten schon geschlechtsreif sind, aber noch nicht gekalbt haben.