"Die grüne Hölle"
Kolumbianisches Alcatraz: Dieser Mann entkam der Gefängnisinsel Gorgona
- Aktualisiert: 27.10.2024
- 16:03 Uhr
Wie entflieht man dem kolumbianischen Alcatraz? Luis Antonio López gelang es gleich zweimal. Unsere "Galileo"-Reporter sprachen mit ihm über seine Flucht und darüber, was er auf der Gefängnisinsel erlebte.
Das Wichtigste in Kürze
Gorgona ist eine Insel vor der Küste Kolumbiens. Ihre einzigartige Tier- und Pflanzenwelt macht sie zu etwas ganz Besonderem. Doch tief im grünen Dschungel verbirgt sich eine dunkle Vergangenheit.
Von 1960 bis 1984 diente Gorgona als Gefängnisinsel für über 1.000 Insassen. Diese wurden wegen Mord und schweren Verbrechen, aber auch als politische Gegner dorthin gebracht. Aufgrund der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen wurde das Gefängnis schließlich geschlossen.
In all den Jahren gab es nur 25 Fluchtversuche. Davon waren drei erfolgreich. Unser "Galileo"-Team sprach mit einem der Geflohenen, dem die Flucht sogar zweimal gelang.
Zwischen Giftschlangen und Folterkammern
Gorgona - ein so schrecklicher Ort, dass er kolumbianischen Kindern als Gruselgeschichte dient. Auch Luis Antonio López hörte schon in seiner Kindheit von der Insel. Nach einem schiefgelaufenen Banküberfall im Alter von 20 Jahren, bei dem drei Menschen ums Leben kommen, wird er schließlich selbst zu 24 Jahren Haft in ebendiesem Gefängnis verurteilt.
Was ihn dort erwartet, ist noch schlimmer als das, was ihm erzählt wurde. Die Gefängnisinsel hat nämlich ein grausames Vorbild: die Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Wie auch zur NS-Zeit wurden die Insassen bei Betreten der Insel ihrer Identität beraubt. Jeder von ihnen erhielt eine Nummer. Wer seine Mitgefangenen bei ihrem Namen nannte, kam in Einzelhaft.
Fernab vom Festland und komplett von der Außenwelt isoliert, mussten die Insassen ihre Haft absitzen und unzählige Strafen erdulden. Ihre Menschenrechte wurden dabei mit Füßen getreten. Unzählige verschwanden in dieser Zeit spurlos, viele wurden lebendig begraben.
Ich wollte lieber sterben, als in die Hölle von Gorgona zu gehen!
Luis Antonio López
Zwei Männer, eine Hündin und das weite Meer
In dieser "grünen Hölle", wie Luis Antonio López sie nennt, überlebten nur die Stärksten. López sah seine einzige Chance in der Flucht. Ein riskantes Unternehmen: Wer beim Versuch nicht starb, aber erwischt wurde, wurde auf schlimmste Weise gefoltert.
Zu seinem Glück war López nicht alleine. Er freundete sich mit Omar Chala an, einem berüchtigten Guerilla-Kommandanten aus dem kolumbianischen Bürgerkrieg. Zusätzlich fand er eine treue Gefährtin in der Hündin Jaqueline, welche ihm eines Tages zulief.
Gemeinsam schafften sie es, aus dem Gefängnislager auszubrechen. Doch das war erst der Beginn der Flucht. Schließlich befanden sie sich auf einer abgelegenen Insel im Pazifik, umringt von dichtem Dschungel und giftigen Schlangen.
Mehrere Tage harrten die Entflohenen zwischen den Gefängnismauern und der Küste aus, während die Wärter Jagd auf sie machten. Es ging ums pure Überleben. Doch es stellte sich die Frage: Wie sollten sie die rund 35 Kilometer Ozean überqueren, die sie vom Festland trennten?
Von der Gefängnisinsel zum Nationalpark
43 Jahre später spricht unser "Galileo"-Reporter-Team mit dem mittlerweile 70-jährigen Luis Antonio López. Dieser betreibt nun gemeinsam mit seiner Frau ein Geschäft für Kinderschuhe in Bogotá. Für "Galileo: Lost Places" besucht er ein letztes Mal die ehemalige Gefängnisinsel.
Gorgona hat sich seit der Schließung des Gefängnisses 1984 drastisch veändert. Statt Menschenfolter legt die Regierung nun Wert auf den Schutz der einzigartigen Flora und Fauna der Insel. Allein 18 Schlangenarten haben hier ihr Zuhause. Darunter auch die giftigste Schlange Südamerikas, die Terciopelo-Lanzenotter.
Neben zahlreichen Kapuzineraffen ist hier auch eine blaue Eidechse heimisch. Das besondere Reptil gibt es nur auf dieser Insel und gilt als gefährdet. An den Küsten leben außerdem viele bedrohte Fischarten, wie beispielsweise der Riesenzackenbarsch.
Was einst die Hölle für zahlreiche Menschen war, ist heutzutage ein Paradies für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Die alten Gefängnisruinen bleiben aber erhalten: Sie sind ein Mahnmal aus der Vergangenheit. Luis Antonio López ist froh, wieder zurückkehren zu können - diesmal als freier Mann.
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