Föderalismus in Deutschland: Funktionierendes System oder Entscheidungsbremse?
- Veröffentlicht: 12.11.2021
- 19:45 Uhr
- Galileo
In der Corona-Krise zeigt sich: Föderalismus polarisiert. Die Corona-Regeln wirken teils wie ein Flickenteppich. Immer öfter wird deshalb die Forderung nach einheitlichen Beschlüssen laut. Wie funktioniert das Föderalismus-Prinzip in Deutschland?
Das Wichtigste zum Thema Föderalismus in Deutschland
Egal ob in der Bildungspolitik, der Verwaltung, oder der Polizei - viele Angelegenheiten regeln die Bundesländer in Deutschland ganz individuell. Bis zuletzt ist das auch bei den Corona-Regeln der Fall. Einige Bundesländer führten die 2G-Regel ein, andere halten an der 3G-Regel fest.
Immer mehr Politiker:innen fordern aber eine einheitliche Basis, um auf die Situation angemessen reagieren zu können und dem Regel-Chaos zu entkommen.
Föderalismus-Befürworter sehen das kritisch. Dadurch würde sich die Regierung über die Verteilung von Aufgaben zwischen Bund und Ländern hinwegsetzen. Die Bundesländer verlieren also an Macht.
Sollte es eine föderale Aufgaben-Verteilung geben oder sollten gleiche Regeln für alle gelten? Die Galileo-Zuschauenden haben abgestimmt: Das Voting-Ergebnis findest du weiter unten.
Chaos bei den Corona-Regeln: Die aktuelle Situation
😵 Warnstufe, Krankenhaus-Ampel, 2G oder 3G? Während in den meisten anderen europäischen Ländern einheitliche Corona-Regelungen gelten, stellt in Deutschland jedes Bundesland seine eigenen Regeln auf.
📅 Schon im Frühjahr sollte ein einheitliches Gesetz im Kampf gegen die 3. Corona-Welle helfen: Ab April galt die Bundes-Notbremse.
🤚 Mit der neuen gesetzlichen Regelung sollte der Flickenteppich ein Ende haben, so die Kanzlerin.
❗ Aktuell sind die Infektionszahlen so hoch wie nie zuvor. Und wieder gibt es bei den Regelungen zur Eindämmung viele Unterschiede in den einzelnen Regionen.
🤝 Jetzt soll die epidemische Lage Ende November trotz 4. Welle auslaufen. Die Regierungschefs der Bundesländer fordern eine einheitliche Grundlage für die weiteren Maßnahmen.
🗣 Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte beispielsweise eine nationale 2G-Regelung.
Föderalismus: Was bedeutet er eigentlich?
Der Begriff Föderalismus stammt vom lateinischen Wort "foedus" ab und bedeutet so viel wie Bündnis oder Vertrag.
Föderalismus ist ein staatliches Organisations-Prinzip. Es bedeutet, dass einzelne Teilstaaten (16 Bundesländer) zu einem Bundesstaat (Bundesrepublik Deutschland) vereint sind.
Politische Aufgaben gliedern die Teilstaaten und der Bundesstaat untereinander auf. Dadurch liegen nicht alle Machtbefugnisse bei der Bundesregierung.
So ist der Bund zum Beispiel für Außenpolitik, Staatsangehörigkeit oder die Währung zuständig. Die Länder regeln unter anderem Bildung, Kultur, Strafvollzug - oder das Versammlungsrecht.
Es gibt auch Bereiche, in denen Bund und Länder um Gesetze konkurrieren, etwa beim Strafrecht oder der Straßenverkehrsordnung. Aber am Ende hat - im Zweifel - der Bund das letzte Wort.
So funktioniert die Gewaltenteilung in Deutschland
Das sagen Stimmen gegen einheitliche Regeln
⚖ Befürworter:innen der föderalen Aufgaben-Verteilung betonen die bessere Machtverteilung. Die Bundesregierung besitzt so nicht die alleinige politische Entscheidungsmacht, was die Demokratie stärken kann.
📍 Zudem könne Föderalismus Bedürfnisse vor Ort besser erfüllen - mit individuellen Regeln.
☝ Auch bei Gesetzen auf Bundesebene haben die Länder Mitspracherecht: Ohne Berücksichtigung des Bundesrats wird kein Gesetz verabschiedet.
🏆 Gleichzeitig könne auch ein Wettbewerb zwischen einzelnen Bundesländern um Arbeitsplätze, Schulen oder Infrastruktur förderlich sein.
Das sagen Stimmen für einheitliche Regeln
🤯 Kritiker:innen des Föderalismus bemängeln das komplizierte System, das für manche schwer verständlich ist.
🖇 Außerdem könne der Föderalismus zu uneinheitlichen Regelungen innerhalb Deutschlands führen - wie bei der Pandemie-Bekämpfung.
🏫 In Hinblick auf die Schulbildung bringe der Föderalismus Nachteile. Der Noten-Durchschnitt sei in Deutschland nicht vergleichbar. In manchen Bundesländern hätten es Schülerinnen und Schüler leichter, einen Studienplatz zu finden.
💰 Nicht zuletzt raube der Föderalismus zusätzliche Zeit und kostet auch mehr Geld: In 16 Landesparlamenten wird mehr debattiert. Auch sind sie teurer als ein großes Parlament. Einzelne Bundesländer können eine gemeinsame Politik blockieren, wie die Pandemie-Bekämpfung zeige.
Macht der Föderalismus in der Pandemie Sinn? So haben die Galileo-User:innen abgestimmt.
Was ist die Grundlage des Föderalismus in Deutschland?
Die Bundesrepublik Deutschland besteht aus 16 Bundesländern. Zwischen den Bundesländern und dem Bundesstaat herrscht das Prinzip des Föderalismus. Das ist seit dem Jahr 1949 im Grundgesetz (GG), dem wichtigsten gesetzlichen Leitfaden für alle Deutschen, verankert.
Durch dieses staatliche Organisations-Prinzip bilden sich in Deutschland grob 2 politische Level. Auf der Bundesebene gibt's etwa die Bundesregierung und den Bundestag, auf Länderebene die jeweiligen Landesregierungen mit ihren Regierungs-Chefs, den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten.
Die politischen Machtbefugnisse sind zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Der Föderalismus in Deutschland zeichnet sich dabei durch eine enge Zusammenarbeit der beiden politischen Level aus.
Deutschlands politisches System auf einen Blick
Monarchie: Was ist das - und warum hat Deutschland keine:n König:in?
Wer entscheidet in Deutschland über Gesetze?
👨⚖ Der Bundestag ist nach dem Prinzip der Gewaltenteilung die gesetzgebende Gewalt (Legislative). Demgegenüber stehen die Bundesregierung als die ausführende Gewalt (Exekutive) sowie die Bundes- und Landesgerichte als die rechtsprechende Gewalt (Judikative).
✒ Die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger wählen den Bundestag alle 4 Jahre direkt. Indirekt hat eine Bundestagswahl also auch Auswirkungen auf die künftige Gesetzgebung Deutschlands.
🛑 Über den Bundesrat beteiligen sich auch die Länder an der Gesetzgebung des Bundes. Bei Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat die Verabschiedung von Gesetzen durch Einspruch verzögern. Bei Zustimmungsgesetzen ist das Einverständnis des Bundesrats Voraussetzung, damit ein zuvor vom Bundestag beschlossenes Gesetz verabschiedet werden kann.
📊 Bundesratswahlen gibt es aber nicht. Der Bundesrat setzt sich aus 69 Mitgliedern mit 69 Stimmen zusammen, die Teil einer Landesregierung eines Bundeslands sind. Das Stimm-Gewicht der einzelnen Bundesländer richtet sich nach deren Einwohnerzahl.
🇩🇪 Bundestag (und Bundesrat) entscheiden demnach über Gesetze, die den gesamten Staat betreffen. Auf Länderebene kümmern sich die jeweiligen Landtage um die Gesetze. Diese werden von den Wahlberechtigten alle 5 Jahre gewählt.
👨🎓 Allerdings erlassen die Bundesländer nur in den Bereichen Bildung, Kultur sowie Polizei- und Ordnungsrecht eigene Gesetze. Die Länder entscheiden also etwa über das Schulwesen oder Laden-Öffnungszeiten.
✅ Davon abgesehen führen die Länder die Bundesgesetze in der Regel als "eigene Angelegenheit" aus. Das bedeutet, der Bund kann nur den Vollzug eines Gesetzes kontrollieren. Er kann aber keine anderen Verfahren zur Umsetzung anordnen.
❌ Eine wichtige Regel im Grundgesetz lautet: Bundesrecht bricht Landesrecht. Bedeutet: Das Recht auf Bundesebene ist bedeutsamer als das Recht auf Landesebene. Widerspricht ein Landesgesetz dem Bundesrecht, zählt es also nicht.
Bundestag und Bundesregierung - Wer hat welche Aufgaben?
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Webseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat