Faultiere: Sind sie wirklich so faul oder einfach nur langsam?
- Veröffentlicht: 20.10.2023
- 06:45 Uhr
- Anna Kaltenhauser
Abhängen, schlafen, fressen - alles macht das Faultier in Zeitlupe. Doch hinter so viel Langsamkeit steckt ein unglaublich cleveres Energiespar-System. Alles über das langsame Leben der Faultiere erfährst du hier. Im Clip: Darum könnten Faultiere auch bald unser Leben retten.
Das Wichtigste in Kürze zu Faultieren
Faultiere leben in den Regenwäldern von Mittelamerika bis zum südlichen Brasilien. Hier befindet sich auch die größte Faultier-Auffangstation der Welt. Sie gehören zu einer Unterordnung der Säugetiere, den Zahnarmen (Pilosa).
Faultiere werden anhand der Anzahl ihrer Krallen an den Vorderpfoten spezifiziert in Zweifinger-Faultiere und Dreifinger-Faultiere.
Sie sind bekannt dafür, dass sie keine Geschwindigkeitsrekorde aufstellen werden. Selbst in Gefahrensituationen schaffen es die Tiere nur auf maximal 0,27 km/h.
Die extrem langsamen Bewegungen haben aber einen Sinn: Faultiere sparen so Energie und fallen Fressfeinden kaum auf. Faultiere selbst ernähren sich größtenteils vegetarisch.
Den Großteil des Tages verbringen die Säugetiere regungslos. Denn: Zoo-Faultiere schlafen bis zu 20 Stunden täglich. In freier Wildbahn sind es dagegen etwa 16 Stunden. Damit schlafen sie weniger als die immer müden Koalas.
Faultier: Steckbrief und Fakten zum langsamsten Säugetier der Welt
Wissenschaftlicher Name: Folivora
Klasse: Säugetiere (Zahnarme)
Größe: 50 bis 90 cm
Gewicht: 3 bis 11 Kilo
Alter: etwa 15 Jahre (in Wildnis); bis zu 50 Jahre (in Gefangenschaft)
Geschwindigkeit: 0,27 km/h (in Gefahrensituationen)
Farbe: grau-braunes Fell
Nahrung: Blätter, Blüten, Baumtriebe und Früchte; Zweifinger-Faultiere selten auch Insekten, Eier oder kleine Wirbeltiere
Lebensraum: Regenwälder Mittelamerikas bis zum südlichen Brasilien
Sozialverhalten: Einzelgänger
Feinde: Raubkatzen, Greifvögel und Schlangen
Faultier Anatomie: Gemacht zum Abhängen
Es gibt verschiedene Faultiergattungen, die in der Biologie durch die Anatomie ihrer Vorderpfoten unterschiedene werden. Die Zweifinger-Faultiere haben zwei Krallen, die Dreifinger-Faultiere drei. An den Hinterpfoten haben alle heutigen Faultiere drei Zehen. Die Krallen ermöglichen es den Tieren stundenlang im Baum zu hängen und zugleich Zweige und Blätter zu sich heranziehen, um sie in aller Ruhe zu fressen. Die Dreifinger-Faultiere können ihren Kopf zu drei Viertel herumdrehen - so kommen sie auch bequem an Blätter hinter sich.
Damit die inneren Organe beim Abhängen nicht auf ihre Lunge drücken, sind der Magen und die Leber bei Faultieren verschoben und mit den Rippen verbunden. Übrigens: Faultiere haben weniger Muskelmasse als andere Säugetiere. Dafür macht ihr gefüllter Magen rund ein Drittel ihres Gewichts aus.
Aber auch Regen bringt Faultiere nicht aus der Ruhe. Dank eines speziellen Fellwuchses kann Regenwasser besser ablaufen. Der Scheitel ihres langen Fells verläuft bei Faultieren nämlich am Bauch. Auch generell bereit ihnen Wasser wenig Probleme. Sollten sie mal vom Baum ins Wasser fallen, dann ist das kein Problem. Faultiere sind überraschend gute Schwimmer.
Faultiere lebten nicht immer auf Bäumen
Riesenfaultiere sind ausgestorbene, weit größere Verwandte der heutigen Faultiere. Während heutige Faultiere eher klein bis mittelgroß sind, gab es in der Vergangenheit verschiedene Arten von Riesenfaultieren, die erheblich größer waren.
- Größe: Einige Arten erreichten eine Länge von bis zu sechs Metern und einem Gewicht von bis zu drei Tonnen. Das ist vergleichbar mit heutigen Elefanten.
- Ausgestorben: Sie lebten während des Pleistozäns, das vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann und vor etwa 11.700 Jahren endete. Es wird vermutet, dass verschiedene Faktoren, darunter Klimaveränderungen und das Verschwinden ihrer bevorzugten Lebensräume, zum Aussterben der Riesenfaultiere beigetragen haben. Auch wurden sie wahrscheinlich von frühen Menschen gejagt.
- Lebensraum: Riesenfaultiere bewohnten verschiedene Lebensräume, darunter Wälder, Grasländer und möglicherweise auch Gebirgsregionen. Im Gegensatz zu heutigen Faultieren waren Riesenfaultiere Bodenbewohner. Durch ihre Größe und Masse bewegten sie sich wahrscheinlich aber wie ihre modernen Verwandten eher gemächlich.
- Nahrung: Obwohl die genaue Ernährung der Riesenfaultiere nicht genau bekannt ist, wird angenommen, dass sie sich von Pflanzen, Blättern und Zweigen ernährten. Zur Nahrungssuche stellten sich Riesenfaultiere auf ihre Hinterbeine, um an das Laub hoher Bäume zu gelangen.
Faultier: Ihre Ernährung ist der Lebensweise angepasst
Faultiere bewohnen die Baumkronen der tropischen Regenwälder von Mittelamerika bis zum südlichen Brasilien und bewegen sich mit ihren Hakenklauen durch die Baumkronen und das dichte Geäst. Während sie sich fortbewegen, gelangt ihre Nahrung oft direkt in ihre Mäuler - ihre Hauptnahrungsquelle sind Blätter. Je nach Art stehen aber auch Blüten, Früchte und zum Teil sogar Eier und kleine Wirbeltiere auf ihrem Speiseplan.
Die Umgebung bietet reichlich Blätter, sodass Faultiere die Bäume nur selten verlassen müssen. Allerdings sind die Blätter in den Baumkronen nicht besonders nahrhaft. Daher müssen die Tiere auf einen energiesparenden Lebensstil achten. Die Langsamkeit der Bewegungen trägt zu einem großen Teil dazu bei. Aber nicht nur die Bewegungen der Säugetiere sind extrem langsam: Ihre Verdauung braucht bis zu sieben Tage. Dadurch müssen sie auch nur einmal pro Woche vom Baum klettern, um ihr Geschäft zu verrichten. Hierbei werden sie allerdings zu sehr leichter Beute für Raubtiere. Nicht selten endet der wöchentliche Toilettengang daher tödlich. In den Bäumen sind sie durch ihre langsamen Bewegungen und ihre Fellfarbe gut getarnt und werden selten entdeckt. Sollte sich doch ein Fressfeind auf dem Baum annähern, verfügen Faultiere über scharfe Krallen und Eckzähne zur Verteidigung.
Lebensraum und illegaler Handel: Ist das Faultier bedroht?
🚧 Der Mensch stellt eine Bedrohung für die Faultiere dar, denn durch die Rodung des tropischen Regenwaldes wird den Faultieren der Lebensraum genommen. Aufgrund ihrer langsamen Fortbewegung schaffen sie es nicht wegzulaufen und sind leichte Beute für den Menschen und Fressfeinde, wie zum Beispiel Harpyien.
📸 Ein weiteres Problem ist der illegale Handel mit den Tieren: Vor allem Jungtiere werden gerne als Haustiere verkauft oder den Tourist:innen auf den Märkten zum Fotografieren angeboten.
🦥 Die kolumbianische Natur- und Tierschutzorganisation Aiunau ruft jeden 3. Samstag im Oktober zum Welt-Faultiertag auf, um auf die Bedrohung der Faultiere aufmerksam zu machen.
❗ Die meisten Faultierarten sind noch nicht vom Aussterben bedroht. Allerdings gelten zwei Arten des Dreifinger-Faultiers als gefährdet: das in Brasilien lebende Kragenfaultier und das Zwergfaultier. Es lebt ausschließlich auf einer kleinen Insel vor Panama.
So pflanzen sich Faultiere fort
Auch beim Sex geht's langsam zur Sache. Das Weibchen lockt mit schrillen Schreien das Männchen an. Doch in freier Wildbahn kann es bis zu drei Tage dauern, bis das Männchen sein Weibchen gefunden hat. Generell ist das Verhalten der Tiere bei der Fortpflanzung wenig erforscht. Forschende nehmen an, dass sich Zweifinger-Faultiere das ganze Jahr über fortpflanzen können, Dreifinger-Faultiere haben eine feste Paarungszeit. In dieser Zeit geben sie Laute von sich, die wie "Ai" klingen - diesem Laut verdanken sie auch ihren Trivialnamen "Ai".
Die Paarung der Faultiere erfolgt in der typischen hängenden Lebensweise, anschließend zieht das Männchen sich zurück, während im Bauch des Weibchens ein Jungtier heranwächst. Nach einer Tragezeit von drei bis viereinhalb Monaten bei den Dreifinger-Faultieren und acht bis neun Monaten bei den Zweifinger-Faultieren bringt das Faultier-Weibchen im Baum hängend ein Faultier-Baby zur Welt.
Das Faultier-Baby lebt monatelang am Bauch der Mutter. Es wird etwa zwei Monate lang gesäugt, kann jedoch nach einigen Wochen schon selbst fressen. Im Alter von neun Monaten ist es stark genug, um sich alleine an den Bäumen festzukrallen und verlässt die Mutter. Die Geschlechtsreife tritt im Alter von zweieinhalb bis drei Jahren ein.
Besonderheiten: Faultiere sind nicht faul, sondern gut angepasst
😴 Faultiere sind nicht faul, sondern nur langsam. Sie führen ein Leben im Energiesparmodus, ähnlich wie Grottenolme und besetzen damit eine ökologische Nische. Wie clever die ist, erklären wir jetzt.
💨 Aus dem Staub machen kann sich ein Faultier nicht. Das Dreifinger-Faultier bewegt sich mit einer maximalen Geschwindigkeit von vier Metern pro Minute fort, also etwa 0,25 Kilometer pro Stunde. Die langsamen Bewegungen bieten einen Schutz vor Raubtieren, denn diese nehmen das Faultier gar nicht als Beute wahr. Aber: Im Wasser sind sie 3-mal so schnell wie an Land.
💪 Anatomisch perfekt ist der Körperbau der Tiere. Dank sehr langer Arme, aber extrem kurzer, frei beweglicher Schulterblätter besitzen Faultiere einen maximalen Bewegungsradius.
🦥 Ihren Kopf können Dreifinger-Faultiere um 270 Grad drehen. Möglich macht das eine verlängerte Halswirbelsäule. So erreichen sie mehr Nahrung - ohne großen Aufwand.
🌡 Heizung: Faultiere fahren nachts oder beim Schlafen ihre Körpertemperatur von 33 Grad um zehn Grad runter. Auch das spart Energie - und ist für ein Säugetier sehr ungewöhnlich.
🌴 Faultiere haben sich clever an ihre besonderen Lebensbedingungen angepasst: Sie bewegen sich langsam, verbrauchen wenig Energie und werden so mit dem kalorienarmen Grünfutter ausreichend versorgt. Und von diesem sind sie immer reichlich umgeben, ohne sich viel bewegen zu müssen.
Faultiere, Motten und Algen: eine clevere Symbiose
💩 Zwischen dem Dreifinger-Faultier und Motten herrscht eine ziemlich spannende Symbiose. Wenn sich ein Dreifinger-Faultier am Boden erleichtert, legen Motten ihre Eier im Kot ab: Hier schlüpfen ihre Larven und ernähren sich.
🧬 Später leben die Motten wiederum im Fell des Faultieres. Dort produzieren sie chemische Substanzen wie Stickstoffverbindungen, die das Algen-Wachstum im Fell eines Faultiers ankurbeln.
🟢 Algen - eine nährstoffreiche Zusatznahrung - frisst das Faultier. Übrigens stammt von den Algen auch die grünliche Farbe des Faultier-Pelzes - eine perfekte Tarnung zwischen den Blätterkronen im Dschungel.
🔬 Wusstest du, dass im Faultierfell sogar Mikroorganismen zu finden sind, aus denen Antibiotika hergestellt werden kann.
🦟 Im Gegensatz zum Faultier findest du Motten nicht so toll? Wir verraten dir, was du gegen einen Mottenbefall tun kannst.
Warum lächeln Faultiere?
🙊 Der Eindruck täuscht: Faultiere sehen zwar aus, als würden sie immer lächeln, aber dem ist nicht so - ihre Gesichtsmuskulatur ist so schwach ausgebildet, dass sie ihre Mimik kaum steuern können.
Die wichtigsten Fragen zum Thema Faultiere
Ein Merkmal der Faultiere ist ihre extrem flexible Halswirbelsäule, die es ihnen ermöglicht, ihren Kopf um 180 Grad zu drehen. Zusätzlich wächst ihr langes, etwas zotteliges Fell auf eine ungewöhnliche Weise: Anders als bei vielen anderen Säugetieren verläuft der Scheitel nicht entlang des Rückens, sondern auf dem Bauch.
Faultiere leben in Mittelamerika bis zum südlichen Brasilien, wo sie sich bevorzugt in den Baumkronen der tropischen Regenwälder aufhalten.
Die genaue Lebenserwartung der Faultiere in freier Wildbahn ist nicht bekannt, das älteste in der Natur gefangene Tier war zwölf Jahre alt. Forscher:innen schätzen die Lebenserwartung der Tiere auf etwa 30 Jahre. Das älteste bekannte Faultier erreichte ein Alter von 51 Jahren und lebte im Bergzoo in Halle.
Die Faultiere sind gemütliche Zeitgenossen. Mit etwa 15 Stunden Schlaf pro Tag und einer äußerst langsamen Fortbewegung bleiben sie für ihre Feinde nahezu unsichtbar. Dementsprechend sind Faultiere nicht faul, sondern angepasst an die Umstände und schlau.