Endometriose: Was ist das und was hilft dagegen?
- Veröffentlicht: 29.09.2023
- 11:00 Uhr
- Chris Tomas
Hast du schon mal von Endometriose gehört? Obwohl etwa jede zehnte Frau betroffen ist, viele massiv darunter leiden, wird die Krankheit noch immer schwer erkannt. Woran das liegt, welche Therapien es gibt und warum auch Männer nicht weghören sollten, erfährst du hier. Im Clip: Gender Data Gap und seine Gefahren.
Das Wichtigste über Endometriose
Starke Regelschmerzen, jeden Monat Krämpfe – das halten viele Frauen für normal. Doch hinter den Beschwerden kann auch eine Krankheit stecken: Endometriose.
Endometriose bedeutet übersetzt "Erkrankung der Gebärmutter-Schleimhaut". Es handelt sich dabei um gutartige, aber oft extrem schmerzhafte Wucherungen im Unterleib. Ihr Ursprung ist unklar. Obwohl sie als gutartig gilt, kann sie jedoch bleibende Schäden an Organen hinterlassen.
Etwa jede zehnte Frau bekommt Endometriose. Auch intergeschlechtliche oder non-binäre Menschen können erkranken. Es gibt sogar vereinzelte dokumentierte Fälle von Männern mit Endometriose.
Obwohl die Krankheit so verbreitet ist, ist über Endometriose noch immer wenig bekannt. Im Durchschnitt vergehen zehn Jahre, bis Betroffenen die richtige Diagnose gestellt wird.
Endometriose ist sehr unterschiedlich ausgeprägt und kommt selten allein. Oft leiden Betroffene unter begleitenden Krankheiten. Endometriose wird deshalb auch als "Chamäleon" bezeichnet, denn es kann viele Formen haben.
Endometriose ist bei Frauen der häufigste Grund für ungewollte Kinderlosigkeit. Oft wird die Krankheit überhaupt erst entdeckt, wenn jemand einfach nicht schwanger wird.
Endometriose ist zwar nicht heilbar, aber gegen die Beschwerden lässt sich viel tun.
Test: Die Symptome von Endometriose
🧐 Endometriose äußert sich bei jeder Frau anders. Bei der einen können die Symptome sehr stark ausgeprägt sein, bei anderen weniger. Auch deshalb wird die Krankheit so schwer entdeckt. Die folgenden Symptome können auf Endometriose hindeuten:
👉 Typisch sind vor schon im Anfangsstadium sehr starke Regelschmerzen.
👉 Später können Schmerzen beim oder nach dem Sex, beim Stuhlgang, beim Wasserlassen oder rund um den Eisprung hinzukommen.
👉 Oft treten Unterleibsschmerzen an den Stellen auf, wo sich die Endometriose-Herde befinden. Das ist meist im Beckenbereich, kann aber auch an der Blase oder am Darm sein.
👉 Manchmal werden die Schmerzen von Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall begleitet.
👉 Die Krämpfe können auch in den Rücken- oder Beinbereich ausstrahlen.
👉 Häufig kommt es zu Zyklus-Störungen, etwa mit starkem Blutverlust oder Zwischenblutungen.
👉 Außerdem kann sich manchmal Blut im Stuhl oder Urin befinden.
👉 Viele Betroffene berichten, dass sie regelmäßig einen stark aufgeblähten Bauch haben. Er wird auch "Endobelly" genannt.
👉 Manche Betroffenen klagen über Müdigkeit, Erschöpfung und Krankheitsanfälligkeit. Der starke Blutverlust begünstigt Eisenmangel.
👉 Unerfüllter Kinderwunsch: Endometriose beeinträchtigt oft die Fruchtbarkeit. Je älter die Betroffenen sind und je ausgeprägter die Endometriose ist, desto schwieriger wird eine Schwangerschaft.
Was passiert bei Endometriose im Körper?
Beim weiblichen Zyklus reifen in den Eierstöcken jeden Monat neue Eizellen heran. Parallel dazu baut sich unter Östrogen-Einfluss Gebärmutter-Schleimhaut auf, damit sich die Eizellen bei erfolgreicher Befruchtung einnisten können. Findet keine Befruchtung statt, wird diese Schicht während der Periode über das Blut wieder ausgeschwemmt.
Bei Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutter-Schleimhaut ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutterhöhle - also an falscher Stelle. Ist das der Bauchraum, spricht man von Endometriose; ist das die Muskelwand der Gebärmutter, nennt man das Adenomyose.
Dort verhält es sich ähnlich wie die richtige Gebärmutter-Schleimhaut und baut sich ebenfalls während des Zyklus auf. Doch während sich die normale Gebärmutter-Schleimhaut bei der Periode wieder abbauen kann, bluten die Endometriose-Herde in sich hinein. Es kommt zu einer chronisch-entzündlichen Reaktion mit Zysten, Verklebungen und Verwachsungen.
Meist siedeln sich die Endometriose-Herde im Bauchraum an. Sie wurden aber auch schon außerhalb, zum Beispiel in der Lunge, gefunden. Manchmal wachsen sie auch in Organe wie Darm und Blase hinein.
Diagnose von Endometriose
Endometriose-Betroffene warten meist Jahre lang auf eine Diagnose. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Symptome ist diese gar nicht so einfach. Ist die Krankheit schon recht ausgeprägt, reicht in der Regel ein Ultraschall, ausgeführt von einem Arzt oder einer Ärztin mit Expertise.
Oft ist der Ultraschall jedoch unauffällig. Was dann? Bei starkem Verdacht und großen Beschwerden wird in der Regel eine Operation durchgeführt - eine sogenannte Laparoskopie. Bei dieser Bauchspiegelung wird mit nur kleinen Schnitten der Bauchraum untersucht und bereits so viele Endometriose-Herde wie möglich entfernt.
Mittlerweile gibt es auch einen Speicheltest für Endometriose. Diesen kann der Frauenarzt oder die Frauenärztin anfordern. Allerdings musst du die Kosten von 800 Euro selbst zahlen.
Interview mit Prof. Mechsner: Warum ist Endometriose so schwer zu erkennen?
👩⚕️ Antworten darauf hat Prof. Sylvia Mechsner von der Charité Berlin. Sie forscht zum Thema Endometriose und hat zwei Bücher über die Krankheit geschrieben.
❓ Kennt man die Ursachen für Endometriose?
🗨 Nein, so genau nicht. Es gibt sicher eine genetische Veranlagung. Warum dann aber die eine Frau Endometriose entwickelt und die andere nicht, ist wahrscheinlich auch von epigenetischen Faktoren abhängig, also von Umwelteinflüssen oder Stress. Wir fangen gerade erst an, das zu verstehen.
❓ Wie viele sind von der Krankheit betroffen?
🗨 Nach vorsichtigen Schätzungen der WHO gibt es weltweit 190 Millionen betroffene Frauen. Aber in vielen Ländern ist die Datenlage schlecht. Wenn man in Deutschland die Zahlen hochrechnet, kommt man darauf, dass eine von zehn Frauen im Laufe ihres Lebens erkrankt.
❓ Wie lange dauert es im Schnitt, bis die Diagnose gestellt wird?
🗨 Immer noch zehn Jahre. Viele Betroffene bleiben sehr lange allein mit ihren Beschwerden. Auch weil sie nach außen hin oft sehr diffus erscheinen. Dabei könnte ein geschulter Arzt die Krankheit per Ultraschall erkennen.
❓ Was müsste sich ändern?
🗨 Wissen Sie, was ein Frauenarzt für Anamnese und Untersuchung bekommt? Knapp sechs Euro. Wie lange kann er sich dafür mit einer Patientin beschäftigen? Im Grunde gar nicht. Für Endometriose gibt es nicht einmal Abrechnungsziffer. Aber ohne angemessene Vergütung können Ärzte schlecht mit dem Thema auseinandersetzen.
❓ Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es heute?
🗨 Endometriose hängt vom Zyklus ab. Viele kommen daher mit einer Hormonbehandlung, zum Beispiel eine Gestagen-Monotherapie, gut zurecht. Sie ist auch sinnvoll, wenn Schmerzmittel allein nicht reichen. Andere möchten das nicht, etwa weil ein Kinderwunsch besteht. Dann gibt es noch die Möglichkeit einer Operation. Die Behandlung muss immer individuell an die betroffene Person angepasst werden. Eine kausale Therapie existiert leider noch nicht.
Das können Betroffene selbst tun
📑 Informieren: Über Endometriose ist noch immer viel zu wenig bekannt. Hol dir Infomaterial, wenn du das Gefühl hast, du oder ein Mensch in deinem Umfeld könnte betroffen sein, zum Beispiel bei der Endometriose-Vereinigung Deutschland.
👩👩👧 Vernetzen: Die Webseite der Endometriose-Vereinigung listet auch zahlreiche Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland auf. Dein Ort ist nicht dabei? Einige Gruppen treffen sich virtuell.
🥬 Auf die Ernährung achten: Vermeide beim Essen möglichst entzündungsfördernde Lebensmittel wie tierische Produkte, Zucker und Gluten. Auch Histamine können laut Prof. Sylvia Mechsner Schmerzen verstärken. Probier aus, ob dir eine Ernährungsumstellung Besserung bringt.
🧘 Verspannungen lösen: Viele Betroffene leiden unter verkrampfter Muskulatur im Becken- und Rückenbereich. Prof. Mechsner empfiehlt dagegen Yin Yoga und Beckenboden-Übungen. Manchen tut auch Osteopathie gut.
🗣 Psychologische Hilfe in Anspruch nehmen: Endometriose ist nicht heilbar. Betroffene müssen meist lernen, mit der Krankheit und ihren Folgen zu leben. Eine Psychotherapie hilft dir, dafür gute Strategien zu entwickeln.
📱 Digitale Hilfsmittel nutzen: Bei vielen Krankheiten werden mittlerweile Apps ärztlich verordnet. Auch bei Endometriose: Die Endo-App hilft Betroffenen mit einem Symptom-Tagebuch, Übungen und SOS-Tricks. Mit einem Rezept werden die Kosten dafür von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Leben mit Endometriose: ein Erfahrungsbericht
In diesem Video spricht eine Betroffene über ihr Leben mit Endometriose.
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Häufige Fragen zum Thema Endometriose
Endometriose ist eine gutartige Erkrankung. Allerdings ist sie nicht heilbar, und die Beschwerden können die Lebensqualität einschränken, Organe bedrohen und zu ungewollter Kinderlosigkeit führen. Umso wichtiger ist es daher, die Krankheit ernst zu nehmen.
Manche Betroffenen leiden stark unter der Erkrankung, andere spüren kaum etwas davon. Weil Endometriose so unterschiedlich verlaufen kann, nennt man sie auch "Chamäleon der Gynäkologie".
Selbst Ärzt:innen erkennen Endometriose nicht immer gleich. Lass dich daher nicht abwimmeln, wenn glaubst, betroffen zu sein, und vereinbare einen Termin in einer spezialisierten Praxis. Erste Hinweise sind starke, krampfartige Regelschmerzen, Schmerzen beim Sex sowie wiederkehrende Beschwerden im Bauchraum. Geschulte Fachleute können die Krankheit auf einem Ultraschallbild erkennen.
Vielen Betroffenen hilft eine Hormontherapie. Mit einer Operation lassen sich außerdem Entzündungsherde entfernen. Allerdings kehren sie bei manchen nach einiger Zeit zurück. Ein Heilmittel gegen Endometriose gibt es bislang nicht. Eine Ernährungsumstellung und Entspannungstechniken können dabei helfen, die Beschwerden im Alltag zu lindern.