Eine Welt nur für Männer: Das steckt hinter dem Gender Data Gap
- Veröffentlicht: 08.03.2023
- 12:36 Uhr
- Galileo
Schon mal einen weiblichen Crashtest-Dummy gesehen? Autos, Smartphones, Stühle und Medikamente werden für Männer konzipiert - zum Nachteil der Frauen. Warum das so ist und wie gefährlich das sein kann.
Das Wichtigste zum Thema Gender-Data-Gap
Daten spielen heute bei der Produkt-Entwicklung eine große Rolle. Das Problem: Sie werden meist von Männern für Männer erhoben.
Auto-Crashtests, Smartphones, Navis, Bürostühle, Supermarkt-Regale und medizinische Studien sind für den westlichen Durchschnitts-Mann konzipiert.
Frauen werden oft nicht gesondert betrachtet. In der Wissenschaft spricht man von dem sogenannten "Gender-Data-Gap". Heißt: Es besteht eine Datenlücke in Bezug auf Frauen. Im Finanzwesen soll die Ungleichheit mit einem Equal-Pay ausgeglichen werden.
Oft sind die Folgen für Frauen einfach nur unbequem, wie beispielsweise ein zu großes Handy. Teils können sie aber auch gesundheitsschädlich oder lebensgefährlich sein - wie bei Auto-Unfällen und der Einnahme von Medikamenten.
Auto-Design und Crashtests
Der Sitz, das Lenkrad, die Entfernung zu den Pedalen - alles ist für Männer gemacht. Das kann ungemütlich sein.
Nicht bloß unbequem, sondern auch riskanter: Das Auto ist ein Beispiel dafür, dass der Gender-Data-Gap tatsächlich gefährlich sein kann:
- Frauen können aufgrund ihrer Größe teils schlecht durch die Windschutzscheibe blicken.
- Der Airbag ist für Frauen oft nicht optimal eingestellt: Je kleiner eine Person ist, desto tiefer sitzt sie und desto näher befindet sie sich am Lenkrad. Ein Aufprall ist für sie gefährlicher als für einen großen Mann.
- Die Kopfstütze ist zu hoch, der Gurt sitzt nicht perfekt.
Die Folge: Frauen haben im Vergleich zu Männern im Schnitt ein um 47 Prozent höheres Risiko, sich bei einem Unfall zu verletzen. Aufgrund ihrer Anatomie erleiden Frauen beispielsweise öfter Schleudertraumata.
Aber die Sicherheits-Vorkehrungen in Autos werden doch getestet? Richtig, allerdings meist mit Crashtest-Dummies, deren Gewicht und Größe dem männlichen Körperbau nachempfunden ist (und die keine Brüste haben). Ein Mann wiegt im Durchschnitt rund 78 Kilogramm und misst 1,75 Meter. In der EU muss ein Auto 5 Tests bestehen, ehe es zugelassen wird. Aber: In keinem Test wird ein weiblicher Dummy verlangt.
Immerhin: Ein erstes Umdenken hat eingesetzt. So nutzt der ADAC mittlerweile für seine Crashtests auch Dummies, welche die Auswirkungen bei Unfällen auf Frauen ermitteln können.
Die gute Nachricht für Frauen
Volvo macht es vor
Der schwedische Auto-Hersteller konzipiert jetzt schon seine Autos auch für Frauen. Die Fahrzeuge haben unter anderem eine robuste Kopfstütze zum Schutz vor Schleudertrauma, einen frauengerechten Airbag und Sitze, die passender sind für die weibliche Wirbelsäule.
Das Unternehmen erfasst seit den 70ern Daten aus echten Unfällen, um zu verstehen, was bei einer Kollision passiert. Das Besondere: In diesen Daten sind Männer und Frauen gleichermaßen vertreten.
Aber warum gibt es nicht mehr Daten über Frauen?
🧔 Früher waren es die Männer, die im Büro saßen, sich neue Dinge ausdachten und dafür eben auch Daten erhoben - und zwar von Männern.
👨⚕️ Tatsache ist, dass dies in Bereichen wie Technik, IT und Medizin heute oft noch der Fall ist.
👨💼 In der Wirtschaft und Regierung werden Entscheidungen in der Regel auf Daten-Basis getroffen - und das für alle (Männer und Frauen). Zudem sitzen in den Führungs-Etagen überwiegend Männer.
👨 Der Mann war schon vor Jahrtausenden der Prototyp - und die Frau galt als Abweichung von der Norm.
Bis heute eine beliebte Skizze
Männer-Medikamente
🧔 Medikamente sind für Männer gemacht, denn medizinische Studien werden in erster Linie an männlichen Mäusen und später männlichen Probanden getestet.
👱♀️ Der Grund: Der weibliche Körper ist durch die hormonellen Schwankungen "zu kompliziert". Jeden Monat verändert sich der Körper der Frau während des Zyklus ebenso wie in der Menopause sowie während/nach der Schwangerschaft. Bei Tieren ist es ähnlich.
🤦♀️ Die Schwankungen zu berücksichtigen und herauszurechnen ist einfach zu kompliziert und teuer. Sie könnten auch Testergebnisse verfälschen.
❗ Die Folge: Oft sind die in der Packungsbeilage angegebenen Dosierungen für Frauen zu hoch und damit teils gefährlich oder zumindest eine unnötige Belastung für die Leber.
Beispiel Herzinfarkt
Der Herzinfarkt wird meist mit Männern in Verbindung gebracht. Dabei kann es auch Frauen treffen - und sie sterben öfter daran. Die Symptome sind nämlich teils andere als bei Männern und ein Infarkt wird selbst von Ärzt:innen oder Rettungsassistent:innen häufig nicht erkannt.
Die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose ist bei Frauen um 50 Prozent höher. Das zeigen Studien aus Großbritannien.
Würdest du einen Herzinfarkt erkennen?
Beispiel Depression
Frauen erkranken zwei- bis dreimal so oft an Depressionen wie Männer. Forschungen, was dabei im Gehirn geschieht, werden aber überwiegend an männlichen Tieren durchgeführt und bilden die Grundlage für die Entwicklung von Medikamenten.
Smartphones und Sprachsteuerung
🔊 Auch Siri, Alexa, Google, Navis und andere Sprach-Assistenten sind Männersache: Laut einer Studie erkennt eine Spracherkennungs-Software männliche Stimmen mit 70 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als weibliche Stimmen.
👩 Die Gesichtserkennung von Smartphones versagt bei Frauen öfters.
✋ Smartphones passen gut in die Männerhand. Frauen müssen es beim Tippen mit beiden Händen halten.
💻 Auch künstliche Intelligenz ist männlich. Sowohl in den Daten, mit denen sie gefüttert wird, als auch bei den Entwickelnden, sind Frauen unterrepräsentiert.